Im Freien werden einige Trachten in der Sonne ausgelüftet. Danach besuchen wir das Historische Museum, das erst kurz vor dem Zusammenbruch des Systems fertiggestellt worden war, so der Museumswärter. Obwohl es ein geräumiges Gebäude ist, vielleicht sogar (für unser Verständnis von Proportion) überdimensional, gemessen an der Größe der Stadt, gibt es fast keine verfügbaren Mittel, um das Museum zu führen oder um zum Beispiel die kyrillischen Wand- und Ausstellungstexte zu übersetzen. Lichter werden, um Strom zu sparen, für uns ein- und wieder ausgeschaltet, sobald wir uns aus der unmittelbaren Nähe der Ausstellungsstücke entfernt haben. Das werden wir auch in anderen Städten immer wieder erleben. Bevor wir gehen, suche ich die Toilette auf und entdecke einen Abstellraum mit einem Stapel alter Radios. Um die Ecke ist ein Gartencafé mit abenteuerlicher Verkabelung und Lautsprecherhalterungen. Am Weg in die Stadt, genau gegenüber einer Hochhaussiedlung, einem Wohnblock, der fast vollkommen verlassen aussieht und im Begriff ist zu zerfallen, schauen wir uns ein Gebäude an, das sich als Freiluftkino herausstellt. M. erzählt uns, dass viele kleine Städte, Bratzigovo hat ungefähr 11 000 Einwohner/innen, fast identische Einrichtungen hatten. Er kann sich erinnern, dass er in den Tagen, als die indische Regierung stark an Moskau orientiert war, indische Filme auf einer dieser Betonleinwände gesehen hat, Bollywood in Bulgarien. Aber nichts von diesem Glamour ist übrig geblieben, der filmische Schauer wurde unter schwarzen Bergen von VHS-Bändern, dem kühlen Datenfluss von DVDs und den neuen Leitsätzen nach Profitmustern, die auf individuellem Konsum basieren, begraben. Das soziale Leben wurde vom Pflanzenleben übernommen. Für mich ist das Gebäude ein architektonisches Symbol für eine radikale sozioökonomische Veränderung. Ich bin mir sicher, es wird mehr davon geben, und tatsächlich, gerade erst seit einigen Minuten im Auto, am Weg aus der Stadt zurück nach Plovdiv, sehen wir noch ein leeres Gebäude. Wieder bleiben wir stehen. Diesmal ist es ein nicht mehr bewohntes Internatsgebäude, das ursprünglich an eine Schule angeschlossen war. Es beherbergte Schüler/innen vom Land, die zu weit entfernt wohnten, um jeden Tag hin und her zu reisen, sagt M.