Und dennoch war Bulgarien nicht dankbar, weder die Regierung noch die Menschen waren ‚weich’ genug, um eine Politik der ‚skrupellosen Härte’ zu praktizieren.“ Andererseits ist es eine historische Tatsache, dass die damalige Regierung ihren Minoritäten nicht besonders gesonnen war und Gesetze verabschiedet hatte, die jüdisches Eigentum und jüdische Unternehmen tatsächlich beschlagnahmte, was zu meist nicht erfolgreichen Restitutionsforderungen im kommunistischen Nachkriegsbulgarien führte. Obwohl es auch anderen Mitgliedern der Achsenmächte, wie Italien und Japan (was zum Beispiel die geflüchteten Jüd/innen in Shanghai betrifft), an Enthusiasmus für die Nazi-Verfolgung von Jüd/innen mangelte, konnte die Verzögerungstaktik des Königs nur funktionieren, weil die Deutschen nicht imstande waren, ihre Forderungen militärisch zu untermauern. Diese Geschichte sollte in Westeuropa besser bekannt gemacht werden, weil viele besetzte Länder, wie das Vichy-Frankreich, dem Druck der Nazis mit weniger Zurückhaltung begegnet waren, möglicherweise, weil es von Beginn an einen höheren Grad von „sozial akzeptablem“ Antisemitismus gab.

Eine Internet-Suche nach Metinel, dem Namen einer der Waagen, die ich fotografiert hatte, ergab ein amüsantes Zusammentreffen, nämlich mit einer türkischen Handelsfirma mit dem Namen Metinel, die mit Makkaroni, Olivenöl, Tomatenpaste, Energy Drinks und Stahlbetonstäben für Baustellen handelt… es geht nichts über Flexibilität und Diversifizierung. Eine Metinel-Waage in rot mit Raketen, Messingpfanne und Gewichten wird auf ebay.de um € 35.- verkauft. Der Verkäufer konnte sie nicht datieren.

Es ist heiß, aber das Auto ist klimatisiert, sodass filmen nicht ganz so anstrengend ist, wie es sein könnte. Auf unserem Weg zurück nach Bratzigovo kommen wir an einem Gebäude vorbei, das aus der Ferne wie eine verlassene Felssiedlung aussieht. Es stellt sich aber heraus, dass es eine aufgelassene Kiesgrube ist, die sich nicht mehr rentierte. Während ich herumspaziere habe ich das Gefühl, ich wäre irgendwo im Südwesten der USA, Arizona oder New Mexiko vielleicht, und schaute auf die Überreste eines indianischen Pueblo. Es ist immer merkwürdig, wenn sich ein Ort vor den eigenen Augen in einen Filmschauplatz verwandelt…

Wir erreichen die Stadt, besuchen das Ethnologische Museum, das noch immer nach dem alten, russischen Verständnis von Ethnologie = Volksbrauch und Tracht ausschaut. Man spürt einen gewissen Widerspruch in vielen dieser Museen. Es ist, als ob einerseits die Artefakte und die Geschichte aufbewahrt werden müssten (und sogar unterstützt, wie zum Beispiel der Volkstanz bei öffentlichen Feiern), aber widerwillig, als ob alles, was die Grundlage ethnischer Identität bildet, eigentlich verschwinden sollte. Es ruft dasselbe Gefühl hervor wie ein anderes marxistisches Rätsel, das niemals wirklich gelöst wurde: wie geht man mit dem kommunistischen Nationalismus um, wenn die marxistische Doktrin in ihrem Grundton internationalistisch ist. Das sehr freundliche und hilfsbereite Museumspersonal erlaubt uns sogar, in einigen der sonst geschlossenen Räume zu fotografieren.