pottery, drawing, singing, chess
Andreas Fogarasi
Siebdruck
Edition 1/2
205 × 285 cm
2007
Ankauf 2010
Inv. Nr. 0208
pottery, drawing, singing, chess: Auf den Zwischentitel in weißer Baskerville – einer klassischen Serifenschrift – auf schwarzem Grund folgt eine Filmsequenz, die Männer beim Verschieben einer knallorangen Faltwand im Budapester Óbuda-Kulturzentrum zeigt. Es handelt sich um einen Ausschnitt aus der sechsteiligen Einkanal-Videoinstallation Kultur und Freizeit, mit der Andreas Fogarasi 2007 den Goldenen Löwen der Biennale von Venedig für den besten Länderpavillon – es war der ungarische – zugesprochen bekam.
Die Verleihung dieses großen Preises war der Höhepunkt einer atemlosen Karriere, die den gerade einmal dreißigjährigen Künstler an die Spitze der Kunstcharts katapultierte. Und das keineswegs mit glamourösem Glitter, sondern mit einer sorgfältigen Studie über Budapester Kulturzentren, einer besonnenen Montage von Bild, Sound und Text, gezeigt in sechs separaten Guckkästen, die dem Betrachter ein konzentriertes, geradezu wissenschaftlich archäologisches Schauen verordneten.
Gelassen tastet die Kamera Theatersäle, Kinos, Tanzstudios und Klassenzimmer ab, begibt sich auf die Spuren der Arbeiterclubs des 19. Jahrhunderts, die im sozialistischen Budapest der 1950er-Jahre ein Revival erlebten. Über die sachliche Dokumentation des Stadtraums und seine architektonische Ordnung hinaus behält Fogarasi das vielschichtige soziale Bezugsnetz im Blick, das hinter den Fassaden liegt, stehen die Kulturhäuser doch für eine Politik, die Freizeitgestaltung kollektiv im öffentlichen Raum ansiedelt, die Bildung und Kultur lenken und kontrollieren möchte. Auf der anderen Seite boten die Einrichtungen Schlupflöcher für potenzielle Gegenkulturen und Avantgarden.
Der monumentale Siebdruck pottery, drawing, singing, chess ist ein Schrifttitel, wie davon mehrere in die „Filmhandlung“ eingeschnitten sind. Die Zwischentitel verweisen auf historisch relevante Daten und Funktionen der gefilmten Häuser, geben sparsame Hinweise auf Ereignisse und deuten Aktivitäten an, die stattgefunden haben. Was im Stummfilm der Erläuterung der Handlung und der Wiedergabe von Dialogen diente, verwendet Fogarasi eher als strukturelles denn als erklärendes Element. Die Größe der Arbeit entspricht der Projektionsfläche des Videos. Aus dem Kontext des Films entfernt lädt die lapidare Aufzählung zu individuellen Interpretationen ein.
Brigitte Huck, 2011
WeiterlesenAusstellungen
Wallpaper #3, evn sammlung, Maria Enzersdorf, 2019
Publikationen
evn collection. 2006–2011, Köln 2011, S. 240 f
Andreas Fogarasi. Kultur und Freizeit [Hungarian Pavilion, Giardini di Castello, Venice], Köln 2007, S. 102