I Land (1960–1977)
Christodoulos Panayiotou
160 Schwarz-Weiß-Dias, 2 synchronisierte Diaprojektoren; Bildquelle: Presse- und Informationsbüro der Republik Zypern, Nikosia
Dia-Projektion, Maße variabel
2010
Ankauf 2011
Inv. Nr. 0219
I Land (1960–1977) ist Teil einer Trilogie, die sich mit Bildmaterial aus unterschiedlichen Quellen Zyperns beschäftigt. Für Never Land (2008) verwendete Christodoulos Panayiotou das Archiv der Zeitung Phileleftheros, für Wonder Land (2008) das Stadtarchiv Limassols, der Stadt, in der der heute in Berlin und Paris lebende Künstler 1978 geboren wurde. Für I Land (1960–1977) konnte der Künstler das Bildarchiv des Presse- und Informationsbüros in Nikosia nutzen, das als offizielle Agentur die Aktivitäten der Regierung seit der Gründung der Republik dokumentiert. 160 Dias spiegeln die Regierungszeit von Erzbischof Makarios III., des ersten Präsidenten von Zypern (1960–1977), in der offiziellen Form klassischer Pressefotos. Parallel dazu findet sich eine Serie von Aufnahmen, die – unkommentiert – ebenfalls archiviert wurde. Im synchronen Ablauf der Bilder wird die Divergenz zwischen individuellem Erleben und offiziellem Geschichtsbild anschaulich. Über die den Aufnahmen beiläufig eingeschriebenen privaten Wünsche der Fotografen ergibt sich ein ungewöhnlicher Zugang zur Ästhetik der Macht und zu dem Kult um die Person Makarios’ III.
In einem Gespräch mit Hans Ulrich Obrist äußert sich der ausgebildete Tänzer Christodoulos Panayiotou über sein Verhältnis zu Archiven (Auszug aus einem Interview für Kaleidoscope1):
HUO: Sie greifen in vielen Ihrer Werke […] die Welt Zyperns auf. Sie sind viel herumgekommen. Inwiefern ist der Zusammenhang zwischen Exil und Ihrer Heimatstadt Limassol eine Quelle, aus der Sie für Ihre Arbeit schöpfen?
CP: Ich hatte nie das Gefühl, im Exil zu leben. Ich finde, es ist ein Segen und ein Fluch, dass in unserer Zeit Reisen extrem einfach und gewissermaßen zum Selbstzweck geworden ist. Die radikale Dimension der Möglichkeit, da wie dort sein zu können, gehört zu den grundsätzlichen Bedingungen der Entwicklung der westlichen Welt. Zwangsläufig ist das auch die Sichtweise, mit der ich meinen Erfahrungen in Zypern Sinn abgewinne.
HUO: Woher rührt Ihre Begeisterung für Archive?
CP: Was ich an Archivaufnahmen – abgesehen von dem ästhetischen Wert, den ihnen die Zeit verleiht – am interessantesten finde, ist eigentlich der Wert, den sie durch den Prozess des Archivierens an sich gewinnen. Das verleiht den Bildern eine paradoxe Dynamik: Sie zeigen die Vergangenheit und weisen gleichzeitig in die Zukunft. Ich glaube nicht, dass ich jenseits dessen irgendeinen systematischen Zugang zu Archiven entwickelt habe. Im Fall von Wonder Land zum Beispiel fungiert das Archiv als bildlicher Beweis einer Beobachtung, die ich gemacht hatte, bevor ich zur Ikonografie Zuflucht nahm, nämlich der Disneyfizierung des Karnevals von Limassol und wie dieser Umstand der offiziellen Darstellung widerspricht. Das Stadtarchiv dient in diesem Fall der Illustration meiner Sichtweise dieses gesellschaftlichen Ereignisses. In Never Land habe ich mich mit dem Archiv der Zeitung Phileleftheros beschäftigt, das in den späten Achtzigerjahren durch ein Feuer völlig zerstört wurde und 2000 durch die Einführung der Digitalfotografie eine radikale Umwandlung erfuhr. Die Geschichte des Archivs selbst, das eine sehr kompakte Sammlung von Bildern der Neunzigerjahre umfasst, bestimmte sowohl das Ergebnis der Arbeit als auch die endgültige Form ihrer Präsentation. Im ersten Teil der Arbeit I Land (1960–1977), die mich gerade beschäftigt, setze ich mich aus einer systematischeren Sicht mit den offiziellen Aufnahmen des Presse- und Informationsbüros von Zypern auseinander. Meine Recherchen dauern lange; ich filtere Themen heraus und versuche sie der Artikulation offizieller Geschichte bzw. zufälligen autobiografischen Aufnahmen zuzuordnen.
Hans Ulrich Obrist, 2011
1) Hans Ulrich Obrist, „Futura: Christodoulos Panayiotou“, in: Kaleidoscope, Nr. 7, Sommer 2010, S. 144–149.
WeiterlesenAusstellungen
Now, At The Latest. Videos und andere Sehenswürdigkeiten aus der evn sammlung, Kunsthalle Krems, Krems, 2015
Publikationen
Now, At the Latest, Maria Enzersdorf 2015, S. 3
Defining Contemporary Art. 25 years in 200 pivotal artworks, London 2011, S. 436
evn collection. 2006–2011, Köln 2011, S. 284–289