Map 3
mahony
Mischtechnik auf Leinwand auf Aluminium
100 × 130 × 15 cm
2011
Ankauf 2011
Inv. Nr. 0214
Aktuell pendeln Jenny Wolka, Clemens Leuschner und Stephan Kobatsch zwischen Wien und Berlin. Eine vergleichsweise überschaubare Strecke für die Mitglieder von Mahony, denn sie sind als Reisende zwischen Kontinenten und in einem interdisziplinären Kosmos bekannt. Viele Arbeiten zeigen Interaktion mit Geografien und Historie oder beschäftigen sich mit oft unbeachteten Objekten außerhalb der Wahrnehmung europäischer Gesellschaften. Für solche „frequent travelers“ ist der Umgang mit geeignetem Kartenmaterial von Vorteil, Mahony tut dies prozessual und konzeptuell.
Map, eine Serie plastischer Kartenobjekte, stellt grundsätzliche Fragen zu Verortungen, bildlich und auf poetische Weise. Die Serie startete 2011 und wird bis heute in Varianten fortgesetzt (aktuell auch mit Integration von Schrift und Motiven). Map 3 (aus der zehnteiligen ersten Serie) ist ein Querformat mit starker Assoziation zu einer Landkarte. Das Werk ist auf betörende Weise auf mehreren Ebenen widersprüchlich: So ist es zum Beispiel zugleich Objekt, Grafik und Gemälde. Ausgangspunkt ist ein Aquarell, das, mehrmals überarbeitet, auf Leinwand und dann auf Aluminium übertragen wurde. Der Prozess der Überarbeitung ist ein wesentliches Element, das Schrammen, Kratzer, Spuren hinterlässt. Die Falzungen des Metalls – angeordnet wie bei leporelloartigen Papierlandkarten – knicken die durch die Bearbeitung entstandenen darunterliegenden Farb- und Materialschichten. In Kombination mit Licht-und-Schatten-Effekten und je nach Standort entstehen so eigene Geometrien, Räume und Bezugspunkte. Mahony nennt dies durch Faltung erzeugtes „Aufspannen des Raumes“. Mit seiner papierenen, leichten Anmutung und der tatsächlichen stabilen Materialität alterniert das Werk zwischen Leichtigkeit und Schwere, Flexibilität und Starre. Indem die Darstellung eines bestimmten Teils der Erdoberfläche nicht eingelöst wird, wird die formale Spannung auch inhaltlich fortgesetzt. Denn Map 3 bezeichnet keinen konkreten Ort. Mittig rechts findet sich ein diffuses bläulich verwaschenes Rechteck, einem einfachen Grundriss gleich. Man erkennt etwas, doch es ist nicht zuzuordnen. Ein ähnliches Phänomen tritt bei den weißen Flecken in historischen Landkarten auf. Diese unerforschten Gebiete wurden mit einer Überfülle von Dekor geschmückt: Fauna und Flora für Landgebiete, Seeungeheuer und Schiffe für die Ozeane (vgl. Nils Büttner, Die Erfindung der Landschaft, Göttingen 2000, S. 61). Für Künstlerinnen und Künstler vergangener Jahrhunderte eröffnete der Horror Vacui, die Angst vor dem Leerraum, ein reichhaltiges Betätigungsfeld.
Heute glaubt man wegen der technisch-wissenschaftlichen Möglichkeiten an die absolute Vermessbarkeit der Erde. Mahony zeigt in Map 3 Unschärfen und Grauzonen, Spuren und Schichten von Vergangenem, auch Unbekanntes. Und belohnt uns mit der Möglichkeit, über die Unmöglichkeit von Orten nachzudenken.
Heike Maier-Rieper, 2015
WeiterlesenPublikationen
evn collection. 95–2015 Jubilee, Wien 2015, S. 259–262