Guys, this is not LA, but it is a cool place too
Kamen Stoyanov
C-Print, montiert auf Leuchtkasten
Edition 3/5
124 × 83.5 cm (gerahmt)
2009
Ankauf 2011
Inv. Nr. 0218
Kamen Stoyanov ist ein gewitzter Künstler, der mit einer gewaltigen Prise Humor ausgestattet die Grenzen zwischen der Wahrnehmung von Alltäglichem und ihrer Sensibilisierung für Besonderheit auslotet. Er arbeitet multimedial, konzeptuell und performativ. In den Werken werden Fragen von Migration, Gesellschaftspolitik oder Urbanität angesprochen. Dazu modifiziert der Künstler Werkzeuge und Sprache aus der Medien- und Warenwelt und nutzt sie zu charmant-individueller Konsumkritik. Viele Arbeiten sind narrativ aufgebaut (z. B. Subway Yard Bratislava, 2007, aus der evn sammlung) und greifen Ereignisse oder Biografien aus seiner Heimat Bulgarien auf. Die Einbeziehung seiner eigenen Person, auch in der temporären Veränderung von Identität, ist ein weiteres Charakteristikum seiner Aktionen. Ein wiederkehrendes Element ist der Einsatz von Schrift und Sprache. Das kann als Textbeigabe zu Werken, in Form von (Werbe-)Botschaften oder auch in der direkten Umsetzung als eigenständiges Objekt (z. B. bei Neonschriftzügen) geschehen.
Ein zentraler Bestandteil der Kunst von Kamen Stoyanov ist die Arbeit im und am öffentlichen Raum. Die Vereinnahmung von Orten und Unorten ist oft Basis künstlerischer Aktionen, die letztendlich auch als Objekte präsent bleiben können. Als im Sommer 2013 in Sofia begleitet von einem lautstarken Pfeifkonzert und sonstigem Lärm lang andauernde Demonstrationen gegen die Regierung stattfanden, montierte Stoyanov eine überdimensionale Trillerpfeife auf dem Dachträger seines Autos. Auf der circa 40 Kilometer langen Fahrt von Pernik nach Sofia gab die große Pfeife durch den Luftwiderstand laute Geräusche von sich. Ein Video (Noise Trial, 2013) dokumentiert diese verrückte Fahrt. Die Stimme der Demonstrationen wurde aus dem urbanen Raum in die Landschaft getragen. Aus dem Objekt der Pfeife – als bewegliches Zeichen präsent – und dem politischen Roadmovie wurden Vermittler für Aufbruch und Veränderung.
Den Übergang des linientreuen Ostblocklandes zum System der sehr freien Marktwirtschaft verdeutlicht auch die Fotografie in der evn sammlung. Auf der Fahrt vom Flughafen Sofia ins Zentrum passiert man ein mehrstöckiges Wohngebäude in permanenter Veränderung. Die unterschiedliche Fassaden- oder Fensterrahmengestaltung weist auf individualisierte Eigentumsverhältnisse hin. Kamen Stoyanov fotografiert das Haus in einer Phase, in der ein denkwürdiges Plakat auf dem Dach installiert ist. Fröhlich bunt wirbt es, in englischer Sprache und lateinischer Schrift. Damit dürfte im kyrillisch schreibenden Bulgarien das Zielpublikum des Aufrufs klar definiert sein: Internationale Geschäftsleute werden gesucht. Dazu sinngemäß die Anspielung auf den fernen Westen: Sofia ist nicht Los Angeles, aber mindestens so cool! Stoyanov geht gesellschaftlichen Phänomenen auf den Grund. Das Fundstück gewandten Marketings könnte durchaus auch von ihm stammen. Kunst und Leben verbindet eben doch eine unzerstörbare und gut funktionierende Liebesbeziehung.
Heike Maier-Rieper, 2015
WeiterlesenPublikationen
evn collection. 95–2015 Jubilee, Wien 2015, S. 200