2017 (2010)
Sonia Leimer
Siebdruck auf aluminiumbeschichtetem Panox-Kevlar, entwickelt für die Mars-Raumfahrt
Edition 2/3 + 1 AP
61 × 65 cm (gerahmt)
2010
Ankauf 2011
Inv. Nr. 0224
Sonia Leimer arbeitet mit dem konkreten physischen Raum und seinen Grenzen, mit imaginierten, erzählten, aber auch mit erinnerten Räumen. Die gelernte Architektin analysiert das Brüchige und Labile, das sich zwischen das scheinbar Festgefügte, Robuste und Haltbare schiebt. Eine gedankliche wie thematische Konstante ihrer Arbeit ist der Weltraum mit seinen unendlichen Projektionen, Spannungen und Rätseln. Leimers Werke in der evn sammlung verbinden Himmel und Erde und verleihen dem Hightech der Satellitentechnologie Poesie und sanften Schimmer.
Das Video Maybe a Diameter of 20 Miles zeigt eine karge Landschaft um den San Rafael Swell in Utah, USA. Der Felsgrat sieht aus wie ein Sägezahn, und ist von tiefen Canyons, Gesteinssäulen und geologischen Kuriositäten umgeben. Dort betreibt die internationale Mars Society das Habitat Mars Desert Research Station. Eines der Gründungsmitglieder ist Science-Fiction-Legende James Cameron, der die einzigartige Umgebung als Filmlocation schätzt. Paramount Pictures verlegten den Geburtsort von Vulkanier Mr. Spock in die Gegend, Wissenschaftler aus der ganzen Welt kommen hier für geologische und biologische Feldforschung zusammen, Raumfahrt-Anwärter – ob Tier, ob Mensch, um das Leben auf dem Mars zu simulieren.
Das Videomaterial selbst ist Found Footage und wurde für eine Fernsehdokumentation gedreht, aber in der eigentlichen Sendung nicht verwendet – ein „lost film“, wie Kinematografen verschollenes bzw. verlorenes Filmmaterial bezeichnen.
Aluminiumbeschichtetes Panox-Kevlar wurde für die Raumfahrt zum Mars entwickelt, Kapton ist eine Polyimidfolie des Teflon-Herstellers DuPont, der für den Erfolg des Apollo-Programms von entscheidender Bedeutung war. Sonia Leimer bedruckt das Material mit Aufnahmen des Satelliten Mariner 4, der als erster den Mars passierte und Bilder von der Oberfläche des Planeten zur Erde funkte. Oder sie hängt ein fragiles Glasfaser-Gewebestück lose in einen Rahmen und nennt das Objekt Colombo, sei damit nun der italienische Astronom Giuseppe „Bepi“ Colombo gemeint, nach dem eine Raumsonde benannt wurde, Cristoforo Colombo, der „Entdecker“, oder Inspektor Columbo, der „Aufdecker“ Amerikas.
Für zwei kleine Skulpturen verwendet Sonia Leimer Kapton, Glasfaser und Titanfolie, Materialien, die für Raumanzüge taugen und den menschlichen Körper bei Druckverlust in der Raumkapsel am Leben erhalten. Es handelt sich um Modelle von „mission-related objects“, sogenannten Space Junk, Trümmerteile, erzeugt durch Explosionen im All. Sie vermüllen das Universum. Sonia Leimer jedoch betrachtet den gefährlichen Schrott als faszinierende Requisite, spricht die klare Sprache der Minimal Art und versieht sie mit psychedelischem Metallic.
Brigitte Huck, 2015
WeiterlesenPublikationen
evn collection. 95–2015 Jubilee, Wien 2015, S. 237–245