Lost Pavilion (Collagen)
David Maljković
7 Collagen
je 26 × 39 cm
2008
Ankauf 2010
Inv. Nr. 0200d-j
In seinen Arbeiten beschäftigt sich der 1973 geborene David Maljkovic mit Vergessenem. Er untersucht Orte und Architekturen seiner Heimat Kroatien und fokussiert Manifestationen der Moderne. Ihn interessieren nicht das Monumentale des Stils oder bauliche Qualitäten, sondern die Prozesse und Strukturen, die hinter Entstehung, Nutzung und eventuellem Verlust der Objekte liegen. Er wendet sich Beispielen zu, „in denen die Ideen eines universellen Fortschritts mit einem spezifischen Verständnis des Sozialismus als potenziell radikales, experimentell modernistisches Konzept verbunden sind“.1
Die Videos These Days (2005), Lost Memories from These Days (2006) und die multimediale Arbeit Lost Pavilion verbindet die Geschichte der Zagreber Messe. Mit dem fast gleichzeitig entstehenden Satellitenstadtteil Novi Zagreb sollte dieser Handelsplatz ab 1956 kommunistischen wie kapitalistischen Staaten ein ökonomisches Forum bieten. Tatsächlich war die Zagreber Messe einer der wenigen Umschlagplätze, an denen die USA und ihre Verbündeten wie auch die UdSSR mit ihren Bruderstaaten teilnahmen. Das Konzept der Messe entsprach mehr dem einer Weltausstellung; die Länder waren in eigens errichteten Pavillons vertreten.2
Während sich die erwähnten Videos mit dem von Giuseppe Sambito gebauten italienischen Pavillon befassen, geht es bei der Arbeit in der evn sammlung um den bereits 1956 von John M. Johansen (geb. 1916) errichteten Pavillon der USA. Der Architekt, ein Mitglied der anfänglich von Walter Gropius beeinflussten „Harvard Five“, wandte sich in dieser Zeit biomorphen Freiformen zu und grenzte sich damit deutlich von der klaren Orthogonalität der Bauhaus-Formensprache ab. Die Materialität des Betons erlaubte organische, expressive Formen, die einen ideologischen Gegensatz zu den industriell gefertigten Anlagen des realen Sozialismus entfalten.
Aus einer Anmerkung geht hervor, wie unzufrieden der Architekt mit dem Bau des Pavillons war: „Es war allerdings keine glückliche Erfahrung: Johansen beklagte sich über die schlechte Qualität des Betons bzw. der Arbeiter, und das Bauwerk erforderte infolgedessen einer zweite Tragkonstruktion.“3 Ist diese Fehlerhaftigkeit verantwortlich dafür, dass es den Pavillon heute nicht mehr gibt? Maljkovic wählt für seine „Rekonstruktion“ auf alle Fälle ein anderes Material, nämlich Acrystal, ein Kunstharz. Er stellt die von der Fertigbauweise des Kommunismus befreite Schale von Johansen auf einen klassisch modernen Sockel, aus dem tief wummernde Elektromusik von Jan St. Werner von Mouse on Mars ertönt. Sieben Collagen, ein Jahr vor der Skulptur entstanden, zeigen Johansens Originalentwurf. Die Arbeit von David Maljkovic beleuchtet den Konnex zwischen Ökonomie, Politik und Kunst, stärkt das kulturelle Gedächtnis und bietet ein Stück kollektive Erinnerung. Und sie macht deutlich, dass diese nicht auf die Grenzen nur eines Landes beschränkt ist.
Heike Maier-Rieper, 2011
1) Fiona Liewehr, Pressetext zur Ausstellung David Maljkovic. After the Fair 18/03/2009–02/05/2009, Galerie Georg Kargl Wien, 2009.
2) Felix Prinz, „Flucht zurück nach vorn. David Maljkovic im Kunstverein Nürnberg“, in: Texte zur Kunst, Heft Nr. 72, Dezember 2008, Berlin 2008, S. 175.
3) Kevin C. Lippert, „John Johansen’s Restless Spirit“, in: John M. Johansen. Nanoarchitecture. A New Species of Architecture,Ausstellungen
Vienna Transit - curated by_Wolfgang Kos, Georg Kargl Fine Arts, Wien, 2018
Wir Sind Alle Astronauten: Universum Richard Buckminster Fuller im Spiegel zeitgenössischer Kunst, MARTa Herford, Herford, 2011
Publikationen
evn collection. 2006–2011, Köln 2011, S. 212–217