Guide Stick
Antanas Gerlikas
Objekt, Holz
L 60 cm, ø 30 cm
2011
Ankauf 2012
Inv. Nr. 0235
Antanas Gerlikas beschäftigt sich mit musealen Fragen und untersucht das Verhältnis von Alltagswelt und Kunst. In seinen – oft auch konzeptuell angelegten – Arbeiten verbindet er Institutionenkritik mit einem autonomen Ansatz von Kunstbetrachtung. Dabei lässt er gerne vieles offen.
So ist zum Beispiel sein Beitrag für den litauischen Pavillon bei der Biennale von Venedig 2013 schwer zu fassen. In der offiziellen Künstlerliste der Ausstellung im Palasport Arsenale ist der Name des Künstlers, der an der Akademie in Vilnius Glaskunst und Skulptur studiert hat, nicht zu finden. Wohl aber auf der Website des Pavillons (http://oo-oo.co), auf der Antanasʼ Dream – Fotografien goldener Scheiben, jeweils grob in zwei Hälften geschnitten – gezeigt wird. In der “Timeline” der von Raimundas Malašauskas kuratierten Ausstellung wird behauptet, Antanas Gerlikas habe 2011 vom späteren Pavillon in Venedig geträumt – genauere Informationen sind nicht zu bekommen und die Sache bleibt rätselhaft.
Geheimnisvoll ist auch der Guide Stick in der evn sammlung. Die zweigartige Form erinnert an eine Wünschelrute und ist schwer mit dem Titel in Einklang zu bringen. Das Objekt wirkt zu märchenhaft, um ein reiner Gebrauchsgegenstand zu sein. Zeigestäbe – und in diesem Zusammenhang sieht Antanas Gerlikas seinen Guide Stick – sollen den Blick des Publikums lenken und sind unmittelbar mit mündlichen Erläuterungen von Lehrenden oder Reise- und Museumsführern verbunden. Dafür ist der Guide Stick allerdings gänzlich ungeeignet. Er ist sehr fragil und – das bedeutet wahrscheinlich die größte Herausforderung – er zeigt in mehr als eine Richtung. Auch scheinen einige der kleineren Zweige durch ihre starke Biegung geradezu auf die Benutzerin oder den Benutzer zurückzuweisen. Eindeutigkeit ist somit ausgeschlossen, der Hinweis auf ein bestimmtes Objekt kann nicht erfolgen.
Für die Rezeption des Guide Stick ist die Schau The Museum Problem 2012 in der römischen Galerie Frutta hilfreich. Die Gruppenausstellung setzte sich mit dem bekannten “Problem der Museumswächter” aus dem Gebiet der kombinatorischen algebraischen Geometrie auseinander. Dabei geht es darum, zu berechnen, wie viel Aufsichtspersonal nötig ist, um eine bestimmte Ausstellungsfläche zu schützen, und einen geeigneten Standort für die Personen und die Kunstwerke zu finden. In der römischen Ausstellung wurde dieser Zugang kritisch betrachtet, sowohl was die Anordnung der Kunstwerke als auch was die Wegeführung für die Besucherinnen und Besucher betrifft.
Um etwas infrage zu stellen, ist der pseudomuseale Guide Stick ein überaus geeignetes Objekt. Mit seiner physischen Vieldeutigkeit ist die Ablösung von jeglichen institutionellen Vorgaben deutlich gegeben. Seine Verwendung weist auf einen sehr entspannten Umgang mit Determinierungen hin und lässt in der Freiheit der Betrachtung viele Möglichkeiten offen.
Heike Maier-Rieper, 2015
WeiterlesenAusstellungen
small medium large. Skulpturen und Objekte aus der evn sammlung, evn sammlung, Maria Enzersdorf, 2022
Publikationen
evn collection. 95–2015 Jubilee, Wien 2015, S. 148–151
The Museum Problem [erscheint anlässlisch der Ausstellung „The Museum Problem“ in der Frutta Gallery in Rom von 17.01. bis 25.02.2012], Rom 2012, S. 3