Auf Initiative der evn sammlung wird alljährlich die Gestaltung der Weihnachtsgrüße der EVN Gruppe an eine Künstlerin oder einen Künstler vergeben. 2012 konnte Oswald Oberhuber, der wie kaum ein anderer österreichischer Künstler Kunstgeschichte geschrieben hat, für diese Aufgabe gewonnen werden. 1958 proklamierte er in einem Manifest das Ende aller Stile und rief gleichzeitig die „Permanenz der Veränderung“ aus. Seit damals entführt Oberhuber, Sachverständiger für Flexibilität, sein Publikum in die Polyfonien der Avantgarde. Der Bitte um einen Entwurf für die EVN Weihnachtskarte ist der Künstler auf ungewöhnlich großzügige Weise nachgekommen. Wie eine Erzählung lesen sich die 15 Variationen zum Thema Malerei. 

Das folgende Gespräch zwischen Hans Ulrich Obrist und Oswald Oberhuber (hier leicht gekürzt) fand im Rahmen des Projektes Eiserner Vorhang des museum in progress statt.* Diese Reihe, die 1998 von Oberhuber selbst initiiert wurde, verwandelt den eisernen Vorhang der Wiener Staatsoper in einen temporären Ausstellungsbereich für zeitgenössische Kunst.

Wie sind Sie zur Kunst gekommen, wie kam die Kunst zu Ihnen?

Das hat schon in der Volksschule angefangen und dann war es für mich klar. Eigentlich über die Musik. Zu Hause war nur von der Literatur eine gewisse Anregung vorhanden.

Was waren die ersten Einflüsse?

Barlach und Picasso. Die Skulptur von Picasso war entscheidend, das plastische Prinzip ist von Barlach gekommen, also die Übertreibung der Figuren, wobei ich später ganz davon abgekommen bin. Ich habe ja dann die Skulptur propagandiert, die keine Masse mehr hat und flach ist.

Sie machen Skulptur, Architektur, Sie zeichnen, malen, designen Poster, Sie kuratieren und schreiben.

Ich habe die Postmoderne begonnen, bevor der Begriff überhaupt aufgekommen ist. Es war nicht nur meine Meinung, dass die Moderne überwunden ist und nicht mehr existiert, sondern dass man in ganz anderer Form vorgehen kann, dass man alles machen kann. Also eine wesentlich breitere Sprache als dieser auf Stil bezogene Vorgang.

Der diesjährige Vorhang [2013/2014] ist unserem Freund Josef Ortner gewidmet, für den Sie der Mentor waren und die große Inspiration bei der Gründung von museum in progress.Können Sie mir etwas über die Einladung zur Oper sagen?

Ich bin ein Anhänger der Barockmusik und zwar der französischen, also Lully, Rameau, Charpentier und so weiter, das sind meine großen Favoriten in der Musik. Damit beschäftige ich mich sehr, ebenso mit der Moderne, wobei ich auch die andere Klassik gern habe.

Und was ist Ihnen eingefallen, als die Einladung für dieses Opernbild kam?

Für mich geht es zuerst einmal um den Anlass, weil die Verdeckung eine Bedeutung hat, nämlich dass man das Bild von jemandem verdeckt, der im Krieg Malverbote aussprach und ungeheuer aggressiv gegen die Künstler vorging.

Ihr Werk für die Oper hat etwas von einer Notation.Überhaupt sind Ihre neueren Arbeiten extrem vereinfachte Abstraktionen.

Alle diese Entwürfe entstanden mehr aus dem Zufall heraus, aber mit einer großen Ästhetik. Ich lege Wert auf Schönheit. Das wollen viele nicht begreifen. Für mich ist das [das] einzige Moment, [das] ich als kleiner Schüler von Willi Baumeister gelernt habe, nämlich dass das abstrakte Bild, damit man es verstehen kann, schön sein muss. Da gebe ich ihm recht: Das ungegenständliche Bild wird verständlich durch die Schönheit.

Wie kann man Schönheit definieren?

Durch das Vorhandensein einer totalen Harmonie, wobei das eine Gefühlssache ist, die nicht jeder hat.

Was wäre Ihr Rat an junge KünstlerInnen?

Sich nicht festzulegen, sondern alles zu versuchen. Das war immer mein Prinzip.

* Aus: http://www.mip.at/attachments/432 (15.10.2015) und:

https://www.wiener-staatsoper.at/Content.Node/pressezentrum/Pressemappe_Oberhuber_de.pdf (15.10.2015)