Sounds from Beneath
Mikhail Karikis & Uriel Orlow
HD-Video mit Ton
Edition 2/5
6' 45''
2010–2012
Ankauf 2013
Inv. Nr. 0254
Ausgeliehen
England, Kohle, Bergarbeiter – Begriffe, die sozialromantisch miteinander verbunden sind. Wenn 2015 mit den Gruben in Kellingley und Thoresby zwei der letzten von ehemals Tausenden von Minen in England geschlossen werden, endet auch eine jahrhundertelange traditionsreiche und wechselhafte Beziehung zwischen Ökonomie und Gesellschaft. Die Videoarbeit Sounds from Beneath scheint in diesem Zusammenhang wie eine Prophezeiung. Als Projekt für die Manifesta 9 im belgischen Limburg entstanden, ist sie ein akustisches und visuelles Memorial. Das digitale Erinnerungsalbum hat mit Mikhail Karikis und Uriel Orlow zwei Autoren. Gemeinsam sind den beiden, die jeweils eine eigene Künstlerkarriere verfolgen, Themen außerhalb eines allgemeinen Fokus sowie die Darstellung von Veränderungen und Umbrüchen. Karikis arbeitet oft mit Randgruppen, versucht Problemfelder durch Sound und die Auseinandersetzung mit Stimme greifbar zu machen. Orlow beschäftigt sich mit Landschaft als Metapher für kollektive Erinnerung.
Sounds from Beneath vereint die beiden Anliegen. Da sind einerseits die postindustriellen Bilder einer Kohlenmine im englischen Kent, andererseits eine Gruppe älterer Männer mit Gesichtern voller Spuren, wie das Gelände selbst. Es sind ehemalige Bergmänner, die sich zum Chor formiert haben. Ein halbes Jahr lang hat Mikhail Karikis mit dem Snowdown Colliery Male Voice Choir aus Canterbury gearbeitet und mit den Sängern eine Partitur von Geräuschen ihrer unterirdischen Vergangenheit erstellt. Das A-cappella-Stück wechselt zwischen der Wiedergabe einer maschinellen Soundkulisse und melodiösen Passagen, auch einzelne Wortfetzen – „fire“ (Feuer), „underground“ (Untergrund, unterirdisch) – meint man herauszuhören. Die Kumpel funktionieren als starke Gruppe, man verlässt sich aufeinander. Der Zusammenhalt war unter Tag überlebensnotwendig. Heute ist er eine wichtige psychologische Stütze. Wie Streikposten stellen sich die Männer auf, die Thatcher-Ära und die Bergarbeiterdemonstrationen der 1980er-Jahre fallen einem dazu ein, ein trotziges Sich-gegen-den-Wind-Stemmen. Irritiert sieht man gegen Ende des Videos eine Figur, die riesige quietschbunte Gummitiere durch die Gegend trägt. Es gibt Hoffnung. Soul Not Coal.
Heike Maier-Rieper, 2015
WeiterlesenAusstellungen
Technik Innovation Wandel, EVN AG, 2024
Publikationen
evn collection. 95–2015 Jubilee, Wien 2015, S. 195–197