not yet titled
Christoph Weber
Beton
35 × 95 × 60 cm
2013
Ankauf 2013
Inv. Nr. 0257
Weber sieht seine Kunst als Stresstest des Dinglichen. Er erprobt Wirkungen, erkundet Strapazen. Solange Beton formbar ist und in Schalungen gegossen wird, folgt er dem Formwillen seiner Gestalter. Wird er strapaziert, so geraten Gestalt und Gewalt ins Wanken. Die graue Platte liegt am Boden. Sie ist einige Finger stark und wäre mit Menschenkraft dennoch kaum zu heben. An einer Seite wurde die Masse der Fläche zurückgebogen. Das Ende wurde während der Aushärtung wie ein Stück Karton gegen seine Formrichtung geschoben. An der Kante bildet sich ein Wulst, der unter seinem Eigengewicht in sich zusammenfällt. Die Krümmung lässt die Substanz bersten. Der ursprünglich sämige Stoff zerbröselt. Aus der Form und dem Guss wird an der Oberseite Formloses und Gebrechen. Manche von Christoph Webers Arbeiten wirken wie schockgefroren. Andere sind gebogen, feinsinnig fast, trotz ihrer grauen sandflüssigen Herkunft. Beton, so sagt Christoph Weber im Gespräch, ist das Material der Gewalt. Tatsächlich gibt es eine eng eingegrenzte Semantik dieses Stoffes. Beton steht für die Festigkeit von Mauern und Wehren, von Bollwerk und Bunker. Beton ist die Substanz des Hoch- und Tiefbaus, der Brücken und Blöcke, der Tonnen und Tunnel, der Kraftwerke und der Wehrkraft. In Verbindung mit Stahlarmierungen ist er der dauerhafteste Baustoff, wegen seiner drögen Farbe und leblosen Härte gilt er jedoch als lebensfeindlich, anonym und stumpf. Ist es seine Rauheit in prekärer Balance, die diese Dinge so kalt, unheimlich und unbeugsam macht? Seine Gewalt ist jene der Widerstandsfähigkeit, der Belastbarkeit, der Dauer. Webers Objekte, die lehnen und sich wie unsichere Körper gebärden, erkunden die Grenzen der Gravitation. Es sind die alten Fragen des plastischen Gestaltens nach Aufrichten und Lasten, die sich hier kenntlich machen, aber auch die neuen, die mehr Webers Denken entsprechen, nach einer Beziehung zum Körper, zu Entität und Substanz, die Frage, ob sich im Dinglichen nicht auch Existenz verbergen könnte, nicht zuletzt, ob konkretes Material schon im Sosein politisch ist.
Thomas D. Trummer, 2015
WeiterlesenPublikationen
evn collection. 95–2015 Jubilee, Wien 2015, S. 373 ff