Ohne Titel
Anita Leisz
Gipsfaserplatte und Zinn
98 × 94 × 4 cm
2012
Ankauf 2013
Inv. Nr. 0260
Die zwei Platten von etwa einem Meter Höhe sind nebeneinander an die Wand montiert. Stoß an Stoß. Es sind Gipsfaserplatten, die beim Trockenausbau und in der Innenarchitektur benützt werden. Die grauen Platten sind industriell gefertigt und dennoch nicht makellos. Es sind Fehlstellen und Verletzungen zu erkennen. Manche sehen wie Schnittwunden aus, andere wie Schrammen oder Kratzer. Die größte Verletzung befindet sich in der rechten Platte im obersten Segment. Es ist ein fast waagrechter Schnitt. Andere Fehlstellen sind eher punktuell. Auch auf der benachbarten Platte finden sich Abriebstellen. In allen kommt ein dunkler Farbton zum Vorschein. Er ist schwarz, zuweilen auch grün oder gelb untermischt. Man nimmt an, das Dunkle wäre der Grund. Doch es ist umgekehrt. Anita Leisz streicht die Flächen mit Lasurfarbe ein. Sie wird nach dem Auftrag wieder abgewaschen. Die Farbe bleibt haften, wo durch Lagerung, Transport und Manipulation feinrissige Verletzungen entstehen. Die Farbe wirkt wie ein medizinisches Kontrastmittel. Mehr als bloßer Dämmstoff, werden die Platten zur Metapher, zur persönlichen Matrize oder zum Erinnerungsmal. Gehängt als Diptychon entsteht ein Bild, das wie die Haut berührungsfähig und oberflächensensibel ist. Ursprünglich war das Werk in einer gemeinsamen Ausstellung mit Nora Schultz in der Wiener Galerie Meyer Kainer zu sehen. Begriffe, um die die beiden Künstlerinnen kreisten, waren „Weißwäsche“ und „Körperteile“. Die filigranen Spuren gehören eindeutig zur Werkgruppe der „Körperteile“, wie Leisz im Gespräch sagt. Und tatsächlich sind diese Platten wie fahle Haut, Porträts von erbleichter Verletzlichkeit, Grundierungen der Existenz, die zum Vorschein kommen, wenn die Folien des Scheins abgetragen sind.
Thomas D. Trummer, 2015
WeiterlesenAusstellungen
2015
Now, At The Latest. Videos und andere Sehenswürdigkeiten aus der evn sammlung, Kunsthalle Krems, Krems, 2015
Publikationen
Lower Austria Contemporary 2015, St. Pölten 2015, S. 36
evn collection. 95–2015 Jubilee, Wien 2015, S. 246 f
Now, At the Latest, Maria Enzersdorf 2015, S. 11