Die auf den ersten Blick als Schnappschüsse anmutenden Aufnahmen sind tatsächlich sehr genau überlegte und komponierte Bilder, in denen die starke Präsenz des zentralen Motivs hervorzuheben ist.

Diese Sujets des gewöhnlichsten und zugleich weitverbreitetsten Kleidungsstückes dieser Welt sind es, die uns Tillmans als das Bemerkenswerteste vorsetzt und zur Ikone hochstilisiert. In diesen Stücken findet sich jedermann zurecht, die Spezialität wird als völlig normal empfunden. Da steckt noch so richtig der Geruch von Sex drinnen; eben erst aus den Hosen gestiegen, versprüht das Werk den ganzen Dunst der Szene des Londoner East End. Die Motive begegnen einem ebenso in Videos, denen der ganze Herzschlagrhythmus der Musikszene und auch der täglichen Jagd nach Sex innewohnt. Die unbewusste Reduzierung auf diese Ebene macht die Arbeiten von Tillmans so relevant für eben diese Umgebung, in der er sich bewegt. Es sind gerade die Momentaufnahmen seiner unmittelbaren Nähe, denen er ungemeine Präsenz und Kultcharakter verleiht. Dies war bereits am Beginn seiner fotografischen Karriere Inhalt seines Tuns, bei welchem er für Szenemagazine in Reports die Jugendkultur festhielt. Jetzt ist er subtiler Beobachter von Dingen, die sonst niemandem auffallen. Wobei er immer mit dem nicht zu Erwartenden agiert und der Zufall zum einkalkulierbaren Faktum wird. Dies sowohl im Moment der Aufnahme als auch bei der Entwicklung der Fotos und sogar bei der Hängung einer Ausstellung: Bei all dem geht es Tillmans um die Umkehrung der Sehgewohnheiten.

Georg Kargl, 2005