The need for money
Dmitry Gutov & David Riff
Acryl auf Leinwand, 5-teilig
Audiodatei: 6' 25''
5 Bilder, je 40 × 30 cm
2013
Ankauf 2013
Inv. Nr. 0264a-f
The Need for Money… ist ein Work in Progress, das 2005/2006 in Moskau seinen Anfang nahm. Damals gründeten der Kunstkritiker David Riff, Mitglied des Kollektivs Chto Delat, und der Künstler Dmitry Gutov gemeinsam mit Philosophen, Kuratoren und einer Kunsthistorikerin die Karl Marx School of the English Language (KMSEL). Die Lesegruppe traf sich einmal pro Woche in Gutovs Atelier im Zentrum Moskaus. Zunächst ging es weniger um Kunst als um die Verbesserung von Englischkenntnissen, was anhand von Karl Marx’ Das Kapital bewerkstelligt werden sollte. Mit verteilten Rollen lasen „Schüler“ – mit Muttersprache Russisch – den Text und verglichen Übersetzungen ins Englische und Deutsche, ein englisch sprechender „Lehrer“ korrigierte Akzent und Aussprache. Es wird erzählt, dass Kursteilnehmer die Relektüre eines politischen Ökonomen zum Anlass für neue Interpretationen, Polemik und Trinkgelage nahmen. Der Klassen- wurde zum Denkraum, in dem bis spät in die Nacht hinein ästhetische und politische Anliegen diskutiert wurden.
Zum Kunstprojekt mutierte das Unternehmen, als Gutov begann, für die Treffen Gemälde herzustellen, monochrom bemalte Leinwände, auf die er Karl-Marx-Zitate schrieb. „Wealth is disposable time and nothing more“ ist etwa auf der Bilderserie in der evn sammlung zu lesen, das berühmte „Reichtum ist verfügbare Zeit und sonst nichts“ (Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie). Oder „ignorance is a devil“ aus einem frühen Text, der 1842 in der Kölnischen Zeitung erschien. In unterschiedlichen Konfigurationen wurden Teile der Produktion auf internationalen Ausstellungen, etwa der 52. Biennale di Venezia oder einer Schau in der Wiener Secession, gezeigt. Dafür stellt Gutov dem offenen und immer wieder variierenden Display der Bilder David Riffs Soundarbeit zur Seite – Originalaufnahmen aus den Moskauer Englischkursen. Auf dem Mitschnitt in der evn sammlung müht sich der Sprachschüler mit folgendem Satz ab: „… the need for money is therefore the true need produced by the economic system, and it is the only need which the latter produces.“
Inhalt und die möglichen Bedeutungen der Aussage werden durch den Übungsmodus im Sprachunterricht nicht gerade deutlicher. Und doch möchten uns Gutov und Riff näher an das „große Drama unserer Zeit“ heranführen. Im Gegensatz zu Okwui Enwezors venezianischem Oratorium bringen sie aber neues Leben in tote Materie: Marxismus als praktischer Gebrauchsartikel für den Mehrwert Wissen.
Brigitte Huck, 2005
WeiterlesenPublikationen
evn collection. 95–2015 Jubilee, Wien 2015, S. 161–167