Nicolas IX
Christoph Meier
SW-Offsetdruck auf Neonpapier, Schaumstoff, Tinte, Acryl und Lack
83 × 61 cm
2013
Ankauf 2014
Inv. Nr. 0271
Eine Skulptur muss stehen, und wenn sie’s nicht von alleine tut, kriegt sie einen Ständer. Die Skulpturen Nicolas VII und Nicolas VIII sind aus Schaumstoff und brauchen einen. Nicolas VIII rollt jetzt sogar.
Irgendwie ist man ein wenig ratlos, wie man sich den Arbeiten gegenüber verhalten soll, fast will man sie umarmen und sehen, was passiert. Oder sie tatsächlich als Stempel benützen, wie Christoph Meier das in der Papierarbeit Nicolas IX vorschlägt.
Beiden Skulpturen ist anzusehen, dass sie schon einiges mitgemacht haben. Schon die Materialien, aus denen sie hergestellt wurden, passen nicht in den gängigen Katalog des Künstlerbedarfs. Die Schaumstoffwalzen waren vielleicht einmal ein Boxsack für empfindliche Kinder und das Gestell eine Halterung für gemeine Zahnarztbohrer. Gleichermaßen passt die Arbeitsmethode nicht ganz ins Programm: Die Farbe ist auf dem Schaumstoff nicht einfach mit dem Pinsel aufgetragen, wie es der Maler tut, sondern die Pigmente wurden langsam in den Körper einmassiert, wie man es sonst eigentlich nur aus der Küche kennt. Das Material musste so lange behandelt werden, bis genug Farbe eingedrungen war, um tatsächlich als Stempel zu dienen und Abdrücke zu hinterlassen. Christoph Meier beschäftigt sich im Übrigen schon lange mit Kopier- und Reproduktionsvorgängen und manipuliert das jeweilige Kopiermedium – eine Xeroxmaschine etwa oder wie in den beiden Skulpturen den Stempel – so, dass der Reproduktionsvorgang nie ein identes Ergebnis abwirft und dadurch die Grenze zwischen Fälschung und Kopie neu gezogen werden muss.
In der Titelgebung zeigt sich Meier ebenso flexibel. Auf den Wunsch eines Kurators, politisch zu reflektieren, hat er die Arbeiten kurzerhand Nicolas betitelt, natürlich als Anspielung auf den ehemaligen französischen Präsidenten, aber mehr noch als Kommentar an die Kunstgemeinde, die durch ähnlich simple Methoden Werke eher banalisiert als politisch auflädt.
Christoph Meier gehört zu einer jüngeren Generation von Bildhauern und Bildhauerinnen, die für die Entwicklung ihrer Arbeiten das klassische Mittel der Komposition durch den Begriff der Kontingenz ersetzt haben. Es geht also weniger darum, einen genau entworfenen Plan zu verfolgen, wie die Skulptur einmal aussehen soll, sondern darum, gut zu navigieren, Zufälle produktiv zu nutzen und im rechten Augenblick aufzuhören. Der Prozess der Erarbeitung ist ein zentraler Teil des Werks und bleibt als Spur deutlich.
Markus Schinwald, 2015
WeiterlesenPublikationen
evn collection. 95–2015 Jubilee, Wien 2015, S. 270–275