Verre Jaune
Theresa Eipeldauer
Holz, Glas, Stoff und Acryl, 3-teilig
40 × 13 × 15 cm (gesamt)
2012
Ankauf 2014
Inv. Nr. 0285
In erster Linie Linie. Theresa Eipeldauer, wie an den fünf Werken in der evn sammlung erkennbar, geht souverän und doch experimentell mit dem Thema um: Linien finden sich ganz klassisch auf Papier und in Metallrahmen an der Wand, gewitzt auf einem industriell gefertigten einfachen Trinkglas, Verre Jaune, bei dem sich die hellgelbe Linie sogar auf einem darin eingesteckten Tüchlein fortsetzt, oder auf großem Folienformat, gerollt oder gehängt. Das Thema der Vervielfältigung wird konsequent durchdacht und gelöst.
Seit ihren Studien in Wien (Akademie der bildenden Künste) und Paris (École nationale supérieure des beaux-arts) setzt sich die Künstlerin nicht nur mit den verschiedenen Techniken der Druckgrafik, sondern auch mit den Möglichkeiten ihrer Modifikation auseinander. Die Arbeiten in der evn sammlung funktionieren als Solitäre und als Ensemble. Auch das (räumliche) Verhältnis der Werke ist von Bedeutung. In der Anordnung erfährt man ihren Ursprung, den einfachen, meist mit Lineal gezogenen Strich, wie in unterschiedlichen Aggregatzuständen. Mit der Darstellungsform und der Präsentation ändert sich auch die Erfahrbarkeit der Werke. Zum Wechselspiel der Dimensionen (und damit der 2-D- und 3-D-Erfahrungen) gesellt sich die Ambivalenz von Transparenz und Verhüllung.
Inside Corner, mit diesem Titel – eigentlich ein bautechnischer Terminus für den Anschluss von Profilen in Innenecken eines Raumes – bezeichnet die Künstlerin eine ganze Werkgruppe. Ein wenig verwirrend, denn die „Ecke“ ist gerollt und aus Folie, aber entscheidend für Theresa Eipeldauer ist etwas anderes: „Die Ecke ist Spannung, die Ecke ist Konfrontation. Die Ecke ist Abgrenzung, ist Anfang und Ende.“ Die grafischen Elemente sind, bedingt durch die Transparenz der Rolle, zugleich nach innen und außen gewandt. Der Trägerkörper wird zum eigentlichen Objekt und die Linie zum Körper. Noch deutlicher wird diese räumliche Erweiterung bei Errata. Das Gerüst aus Eichenholz trägt die Folie mit der siebgedruckten Linie wie ein Fensterrahmen das Glas. Das erinnert freilich an eine Ikone des 20. Jahrhunderts: Die komplexe Geschichte von Zuständen, Bewegungen und Abläufen, die Duchamp im Großen Glas erzählt, erfährt hier eine lockere und leichte Nacherzählung. Zur Freiheit der Abstraktion gesellt sich bei Errata das Moment der Bewegung, ist doch die Trägerfolie nicht in den Rahmen gespannt, sondern hängt lose an nur zwei Haken. Jeder Luftzug bringt die Form in Schwingung und in ihrer Gesamtheit scheinen die Linien und Formen aller Werke eine rhythmische Abfolge zu ergeben.
Und auch das ist nicht weiter verwunderlich, denn die Musik ist eine große Leidenschaft von Theresa Eipeldauer aka Thesa Tödlich. Als Sängerin und Performerin mit Singender Säge in der Band Glutamat zeigt sie Temperament, Verve und keine Furcht vor schrägen Tönen und massivem Volume. Als bildende Künstlerin erweitert sie die Grenzen des Mediums und führt die reproduzierte Linie in ein Beziehungsgeflecht von Ecken wie Kanten und bietet ein kurzweiliges Medley des Erlebens von Raum und Volumen.
Heike Maier-Rieper, 2015
WeiterlesenPublikationen
evn collection. 95–2015 Jubilee, Wien 2015, S. 114–121