Zwei Körperformen Schwarz Rot
Franz Erhard Walther
Holz, gefärbter und genähter Baumwollstoff
141 × 100 × 26 cm
1983
Ankauf 2015
Inv. Nr. 0288
„OBJEKTE, benutzen“, „Plastik als Handlungsform“, „Mit dem Körper sehen“ – so bescheiden wird die Essenz eines radikalen, die Kunst revolutionierenden Werks beschrieben: 1969, 30-jährig, formuliert Franz Erhard Walther seinen „anderen Werkbegriff“, mit dem er die reale Handlung als neue Dimension in die Kunst einführt, den Betrachter zum Mitschöpfer des Werks macht.
Mit der Beteiligung des Publikums am künstlerischen Prozess setzt Walther einen vollkommen neuen Umgang mit Skulptur in Gang, der den traditionellen statischen Material- und Werkbegriff grundlegend verändern wird. Er definiert Skulptur als „Handlungsform“ und erläutert den Paradigmenwechsel mit Begriffen wie „Anwendung“ und „Brauchbarkeit“. Aus schlichten, als unkünstlerisch geltenden Materialien und in alltäglicher Technik entwirft Walther skulpturale Stoffobjekte, die mit Fingern, Händen, Füßen oder dem ganzen Körper benützt werden können. Eine Interaktion zwischen Werk und Betrachter entsteht, das Publikum macht Erfahrungen, die von Rhythmus und Maß bis zu Zeit und Raum reichen. Diese Impulse, die Formen, Handlungen und kunsttheoretischen Überlegungen, haben Künstlerinnen und Künstler bis heute entscheidend beeinflusst. Es erschien uns daher mehr als angemessen, diesen alten Hasen im Kunstbetrieb einer Sammlung voranzustellen, deren wichtigste Maxime ihr Gegenwartsbezug ist.
Zwei Körperformen Schwarz Rot ist eine Arbeit aus dem Jahr 1983, sie gehört in die Gruppe der Wandformationen, die aus Baumwollstoffen in kräftigen Farben gefertigt sind. Grundlegendes Modul der Proportionen und Gliederungen ist das Körpermaß des Künstlers. Obwohl sie an der Wand hängen, sind die Arbeiten weder Bilder noch Skulpturen, sondern um 90 Grad gedrehte Sockel, transportable Orte, an denen sich die eigentliche „Werkhandlung“ vollzieht. Steht man mit dem Rücken zur Wand vor der Formation – im geöffneten Zustand verschwindet der Kopf unter einer losen Stoffbahn –, wird man als Betrachter zu einem Teil des Werks, das wiederum als komplexes Erfahrungs- und Beziehungsfeld von außerordentlicher architektonischer Präsenz erscheint.
Im Jänner 2015 fand anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der evn sammlung eine Werkvorführung mit dem Künstler in der Wiener Secession statt. Zusammen mit Gästen und Studierenden der Akademie der bildenden Künste aktivierte Franz Erhard Walther persönlich Objekte aus dem legendären 1. Werksatz, dem mumok und die Wandformation aus der evn sammlung. In der lichten Weite der Halle verband sich eine klassische Form der Kunstrezeption mit der Expansion von Wahrnehmung über Bild und Objekt hinaus.
Brigitte Huck, 2015
WeiterlesenAusstellungen
Now, At The Latest. Videos und andere Sehenswürdigkeiten aus der evn sammlung, Kunsthalle Krems, Krems, 2015
Franz Erhard Walther, Werkvorführung, Secession Wien, Wien
Publikationen
Interview SZ - Franz Erhard Walther, 9-5-2018,
Lower Austria Contemporary 2016, St. Pölten 2016, S. 36
evn collection. 95–2015 Jubilee, Wien 2015, S. 368 ff
Now, At the Latest, Maria Enzersdorf 2015, S. 25