D9, Der Partykracher
Constantin Luser
Messingdraht, hartgelötet, geschwärzt, "Schatten" aus Folie
Draht: 60 × 60 × 70 cm; Folie: Maße variabel
2015
Ankauf 2015
Inv. Nr. 0300
Ein bisschen muss man sich Constantin Lusers Zeichnungen wie komplizierte Kartografien vorstellen. Sie bestehen aus präzisen Linien, sind reine Konturen und Umrisse ohne Fläche und Schatten. Vereinfacht gesagt haben sie eher einen Charakter, als würden sie von einem elektronischen Plotter und nicht von einem verträumten Zeichner stammen. Gleichzeitig denkt man aber auch ein bisschen an die Arbeiten von Hans Bellmer, der sich neben seinen berühmten Puppenskulpturen ganz der Zeichnung verschrieb. Obgleich weniger nervös und nicht ausschließlich der Sexualität gewidmet wie Bellmers Werke, gehen auch Lusers Zeichnungen von einer relativ konkreten Form, einem Wort, einem Symbol oder einer Silhouette aus, von der sie jedoch schnell wieder abweichen. Der Strich ändert ständig seine Bahn und verschmilzt auf diese Weise elegant seismografische Ausschläge mit Schnittmustern und Blutbahnen mit Bauplänen.
Dabei macht Luser sich zunutze, was die kognitive Psychologie Pareidolie nennt. Der Begriff bezeichnet das Phänomen, in Dingen und Mustern, beispielsweise einer Wolke, aber eben auch einer komplexen Zeichnung, vertraute Formen zu sehen.
Obwohl D9, Der Partykracher von der Decke hängt und dreidimensional ist, basiert er doch auf einem sehr ähnlichen Prinzip wie Lusers Zeichnungen. Die Skulptur geht sogar noch einen Schritt weiter. Denn wo das Medium Papier der Zeichnung ein Ende setzt, ist das Mobile durchlässig, ist sowohl eigener Vorder- als auch Hintergrund. Die vorderen Linien treffen auf dahinterliegende und bilden, schon wenn man sich nur ein paar Zentimeter entfernt oder das Objekt umkreist, nahezu unendlich viele verschiedene Konstellationen. Die zwei zugehörigen Seitenansichten auf transparenter Folie lassen sich als eine Art künstlicher Schatten verstehen, sie schweben ähnlich wie die Skulptur förmlich in der Luft. Fast ist man geneigt, ein so einfältiges Wort wie fantasievoll zu gebrauchen, um zu beschreiben, was Luser da tut.
Markus Schinwald, 2015
WeiterlesenPublikationen
Constantin Luser. Musik zähmt die Bestie [erscheint anlässlich der Ausstellung „Constantin Luser. Musik zähmt die Bestie“, Kunsthaus Graz, Universalmuseum Joanneum, 26. Februar – 1. Mai 2016], , S. 48–49
evn collection. 95–2015 Jubilee, Wien 2015, S. 254–257