Das Motiv des Spiegels wird in der Kunst seit der Antike verwendet. So sind zum Beispiel Göttinnen mit diesem Attribut als Zeichen der Schönheit und Eitelkeit geschmückt. Bei Darstellungen der fünf Sinne wird dem Seh- oder Gesichtssinn, der oft auch mit Malerei selbst gleichgesetzt wird, ein Spiegel beigegeben. Und an Prudentia, der Tugend der Klugheit, gilt der Spiegel als Instrument der Selbsterkenntnis.

In Mircea Cantors Videoarbeit marschiert eine Gruppe von Menschen im Stile einer Demonstration im Jahr 2003 durch die albanische Hauptstadt Tirana. Statt Transparenten, die die Anliegen der Demonstranten erklären würden, halten sie großformatige, ungerahmte Spiegel. Begleitet nur vom alltäglichen Straßenlärm, spiegelt sich die Stadt in ihrer Buntheit und Verschiedenheit. Ihr neues Gesicht nach der kommunistischen Ära wird mithilfe eines demokratischen Grundrechtes wiedergegeben. Der Zug der Teilnehmer zeigt somit – in Assoziation mit der antiken Idee – einen Weg zur Erkenntnis über Urbanität, gesellschaftliche Bedingungen und Strukturen auf.

Heike Maier, 2005