Untitled (with Double Event, Half-Mirrored, Double Ray)
Jean-Pascal Flavien
Tisch, 3 Plexiglasmodelle und 3 Colombo-Sessel (schwarz)
ca. 90 × 140 × 75 cm (gesamt)
2006
Ankauf 2007
Inv. Nr. 0166 a-g
„Re-enactment“ beschreibt eine Methode der Inszenierung historischer Ereignisse. Der Grad der Authentizität bleibt der jeweiligen Regie überlassen. Ist Jean-Pascal Flavien der Regisseur, verlässt man den Pfad der Geschichte und wandert frei durch Fiktionen und imaginäre Welten.
Die Installation in der evn sammlung besteht aus einem Tisch mit weißer Oberfläche, drei Second-Hand-Designerstühlen und drei Modellen aus Plexiglas. Betrachtet man die Installation aus der Vogelperspektive, verwandelt sich die Tischplatte in eine weiße Leinwand. Durch die farblich stark kontrastierenden Objekte darauf, die zu geometrischen Flächen werden, entsteht der Eindruck eines suprematistischen Gemäldes. Für den die Welt der Gegenständlichkeit zurücklassenden Kasimir Malewitsch begann mit dem Suprematismus eine „neue Zivilisation“.
In gewisser Weise kann man auch die Objekte Jean-Pascal Flaviens als Abstraktionen einer anderen Lebensform verstehen. Die auf dem Tisch präsentierten Dinosaurier und ihre kreativen Behausungen (Double Event, Half-Mirrored, Double Ray) sind wohl gegenständlich, doch gleichzeitig so sehr von unserer Wirklichkeit entfernt, dass Letztere eher ideellen Räumen gleichen. Der Künstler treibt ein Spiel mit Wechsel von Zivilisationen. Den vermeintlich prähistorischen Lebensraum kombiniert er mit High-End-Produkten der Gegenwart: einem Tisch und Kunststoffstühlen des Stardesigners Joe Colombo. Dieser „Chair 4867“ (1968), als erstes Modell industriell und in einem Stück im Spritzgussverfahren hergestellt, zeichnet sich durch seine Verwendbarkeit im Innen- und Außenbereich aus. Der Stuhl taugt für das Museum (als Klassiker) ebenso wie für die freie Landschaft. Auch Jean-Pascal Flavien (ent)lässt seine Kreationen in die Natur. 2007 setzt er die Installation Viewer in der Nähe Rio de Janeiros in den brasilianischen Urwald. Gut vorstellbar, dass fremde Lebewesen wie Dinosaurier in diese Umwelt passen. Der Künstler nimmt dies in seinen Zeichnungen (siehe auch Jean-Pascal Flavien, A Day before a Day, 2005, No Level, 2005, sowie Red Moravec, 2004) vorweg. Und verdeutlicht die Grenzen der realen Welt: „Es ist eine Welt ohne uns, eine Welt, die wir nicht sehen“ (Jean-Pascal Flavien).
Heike Maier-Rieper, 2011
WeiterlesenPublikationen
evn collection. 2006–2011, Köln 2011, S. 96 ff