...but buildings can' talk...,
Carola Dertnig
14 Zeichnungen, 11 C-Prints und Text
Zeichnungen: je 41.3 × 31.2 cm; C-Prints: je 26.7 × 32 cm
2001
Ankauf 2007
Inv. Nr. 0160 a-y
Im Zentrum der im Sommer 2001 im Rahmen eines Atelierstipendiums im World Trade Center in New York entstandenen Arbeit steht die Frage des richtigen Aufenthaltsorts. Durch die Kombination einer Gruppe dokumentarischer Fotografien von verwaisten Innenräumen des World Trade Center mit einer Serie narrativer Zeichnungen wird ein Handlungsbogen gespannt, der einmal durch seinen ästhetischen Reiz besticht. In der vertiefenden Beschäftigung ergibt sich aus dem Umstand, dass dem unpathetischen Realismus der Fotografie die märchenhafte Ästhetik der Zeichnungen gegenübergestellt wird, ein Zweiklang, der die Magie des Orts wie des Augenblicks zu vermitteln vermag. So die erste Ebene der Wahrnehmung dieser Arbeit, die sich ergibt, wenn man die Arbeit an einer Wand installiert sieht.
Carola Dertnig hat sich jedoch entschieden, ein 2002 erschienenes Buch, dessen bildlicher Inhalt die beschriebenen Fotografien und Zeichnungen umfasst, um eine Erzählung und verschiedene Texte ergänzt zu publizieren. Die Erzählung stellt die beiden Türme des World Trade Center als Zwillingsindividuen in ihren Befindlichkeiten, ihren Beziehungen zueinander und zu Elisa Islanda (Ellis Island) vor. Außerdem enthält der Band ausgezeichnete Texte der Künstlerin über die Entstehung ihres Werks und einen Essay von Rike Frank; Timelines zum World Trade Center und zu Ellis Island runden die Publikation ab.
Die Essays verdichten und klären die bildlichen Inhalte auf Grundlage von Carola Dertnigs Schilderungen ihrer Situation als Stipendiatin in einem Atelier im 91. Stock des World Trade Center. Als eine von 15 Künstlerinnen und Künstlern ohne Rückzugsmöglichkeit ist sie mit der räumlichen Situation unzufrieden und durchstreift zum Ausgleich die durch das Platzen der Dotcom-Blase 1998 verwaisten Büros des World Trade Center. Diese Streifzüge reflektieren in vielschichtiger Weise die Eigenschaften der Architektur des Gebäudes, vor allem das Verhältnis von Raum und Individuum sowie den topografischen und historischen Bezug zur Umgebung. Zentral wird die Wiederentdeckung des Eigenen in einer neuen Ateliergemeinschaft und Ellis Island als Symbol der Immigration in die USA.
Die Arbeit . . . but buildings can’ talk . . . ist ein Prototyp, der zeigt, wie aus individuell Erlebtem mit den Mitteln der Subjektivität ein Inhalt geschaffen werden kann, der über eine narrative Darstellung hinausgeht. Ohne die Umstände ihres Entstehens wäre die Arbeit örtlich wie zeitlich nicht denkbar; sie ist kontextuell und lässt uns parabelhaft erkennen, dass es das Beziehungsgeflecht aus Vergangenem und auf die Zukunft gerichteten Erwartungen und Hoffnungen ist, das unser gegenwärtiges Handeln bestimmt.
Paul Katzberger, 2011
WeiterlesenPublikationen
evn collection. 2006–2011, Köln 2011, S. 230–239
Carola Dertnig ...but buildings can' talk, Wien 2002