Ohne Titel
Ernst Caramelle
Gesso und Gouache auf Holz
61 × 91.5 × 1.5 cm
1998
Ankauf 2007
Inv. Nr. 0161
Durch Giotto tritt die Malerei im frühen 14. Jahrhundert von der Darstellung zweidimensionaler, vor einem flächigen Hintergrund angeordneter Figuren in eine Phase dreidimensionaler Darstellungen. Ernst Caramelle, geboren 1952 in Hall in Tirol, stellt in der gegenständlichen Arbeit Technik und Bildkomposition vor giottosche Raumtiefe erzeugende Hintergründe. Damit thematisiert und wählt er eine Problemstellung der Malerei als Ausdrucksmittel, die vor der dann jahrhundertelang dominierenden dreidimensionalen Darstellung essenziell war: die Darstellung von Raumtiefe mit zweidimensionalen Elementen und der Variation von Farbintensitäten. Caramelle steht mit diesem Ansatz in einer Reihe großer Maler, die dieses Thema ebenfalls reizte. Nicht die Aufgabe ist neu, sondern das feinsinnige Timbre dieser Arbeit, und das gilt auch für die anderen Bilder dieser Serie.
Diese Qualität wird vorrangig durch die gewählte Technik erreicht: Gesso ist eine aus Hasenhautleim und Schlämmkreide bestehende farbechte Grundiermasse, die durch den in der Folge lasurartigen bis deckenden Auftrag der Gouache eine freskoartige Anmutung ergibt. Auch die mit ihrer Wolkigkeit kontrastierende Scharfkantigkeit und Orthogonalität der Farbfelder tragen zu diesem Eindruck bei. Dadurch entfaltet sich eine Dialektik zwischen abstrakter Qualität des Bildes und der zweidimensionalen Wirkung der Bildelemente, die auch stark durch die Farbe bestimmt ist. Ergänzend entsteht durch die Rahmen-, Tor- und Mäandermotive eine weitere Ebene dynamischer, sich verschiebender Bedeutungen, die auf dem Hintergrund unserer Wahrnehmungserfahrungen vielfältige Assoziationsketten in Gang setzen. Das auf den ersten Blick in sich ruhende Bild gewinnt durch diese komplexen Eigenschaften eine lang anhaltende flirrende Präsenz.
Paul Katzberger, 2011
WeiterlesenAusstellungen
Ernst Caramelle. Ein Résumé, MUMOK, Wien, 2018
Publikationen
Ernst Caramelle. Ein Resümee, Köln 2018, S. s. p.
evn collection. 2006–2011, Köln 2011, S. 86 f