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Ryan Gander
Anschlagtafel der USC Art School, Los Angeles, vom Künstler überarbeitet; Papier, Glas und Metall
122 × 183 × 8 cm (gerahmt)
2006
Ankauf 2007
Inv. Nr. 0170
Während eines Aufenthalts in Los Angeles entwendet Ryan Gander Notizen vom Anschlagbrett der Art School der University of Southern California (USC) und ersetzt die farbigen Originale durch Kopien. Die Originale finden auf einer neuen Tafel Platz. Einige Blätter werden mit einem Design überdruckt, das sich in Kreisen über das Arrangement legt. Die Kreise basieren auf der Panopticon-Idee des Philosophen Jeremy Bentham (1748–1832) – einem Konzept zum Bau von Gefängnissen, Fabriken und anderen Anstalten: Wenige zentrale Orte sollen möglichst viele Einblicke ermöglichen. Durch die Übertragung auf den Campus wird bei Gander aus der ursprünglichen Überwachungssituation auch eine Möglichkeit zur Sammlung von Wissen.
Im Lauf eines Interviews Hans Ulrich Obrists mit Ryan Gander im Jahr 20071 kommt die Werkserie, zu der auch die Arbeit in der evn sammlung gehört, durch einen Anruf zufällig ins Gespräch:
[Das Telefon Ryan Ganders läutet.]
HUO: Hallo, bei Ryan Gander. Wer ist am Apparat? Jonathan, hier spricht Hans Ulrich Obrist. Wir zeichnen gerade ein Interview auf. Gibt es etwas, was Sie Ryan schon immer fragen wollten? Sie könnten an unserem Gespräch teilnehmen. – Das war Jonathan Callan. Seine Frage lautet: „Finden Sie es fair, Notizen vom Anschlagbrett einer Schule zu nehmen, sie zu fotokopieren und für ein Kunstwerk zu verwenden?“
RG: Ich habe Jonathan [der als Assistent an der Slade School of Fine Art des University College London arbeitet und selbst ein Künstler ist] gebeten, Mitteilungen vom Anschlagbrett der Schule zu stehlen, damit ich sie für eine Arbeit verwenden kann. Ich will die Anschläge aus der Slade School of Fine Art, weil dort Jeremy Benthams kopfloser Körper aufbewahrt wird, den sie sogar manchmal zum Essen herausschieben. Ich will eine Galerie mit diesen Notizen machen und einen Plan der von mir entworfenen Kunstschule, die auf Jeremy Benthams Panopticon-Gefängnis beruht, auf die Blätter kopieren. Es geht darum, dass Benthams Gefängnis in einer anderen verrückten Wirklichkeit, die es nie geben wird, zu einer Kunstschule wird. Da die Mitteilungen von dem Ort stammen, an dem sein Körper aufbewahrt wird, ergibt sich ein geschlossener Kreis: Kunstschule, Jeremy Bentham, Gefängnis – drei Momente also. Jonathan macht das Datenschutzgesetz Sorgen, das einem so etwas untersagt, weil es um Material geht. Die Anschläge werden aber mal abgenommen und wandern in den Papierkorb – was ist also, wenn ich sie da rausfische? Ich glaube nicht, dass das Gesetz ein Problem ist.
HUO: Alles kann also für Sie zu Material für eine Arbeit werden?
RG: Ja.
1) Die hier wiedergegebene Passage aus dem Interview wird zum ersten Mal publiziert. Andere Teile des Gesprächs finden sich in: Ryan Gander, Will Holder (Hg.), Intellectual Colours. Ryan Gander, Silvana Editoriale und Dena Foundation for Contemporary Art, Paris, Mailand 2007.
WeiterlesenPublikationen
evn collection. 2006–2011, Köln 2011, S. 206–209