Lucy McKenzie bewegt sich innerhalb eines weit verzweigten historischen Referenzsystems aus den Elementen Politik, Pop- und Partykultur, Musik, Design, Architektur und Mode. Ihre Arbeit ist kollaborativ – so produziert sie etwa Mode unter dem Fashionlabel Atelier E.B. mit Beca Lipscombe – und multidisziplinär. Von Malerei über skulpturale Arrangements und Stillleben reicht sie über Bühnengestaltungen und Wohnzimmerarchetypen bis zu lebensgroßen Environments aus Möbeln und Interior Decorations.

In Brüssel, wo sie heute lebt, absolvierte sie eine klassische Ausbildung als kommerzielle Dekorationsmalerin und spezialisierte sich auf Trompe-l'OEil-Malerei, die sie für viele ihrer illusionistischen Gemälde und Objekte anwendet. Das Kriterium handwerklicher Qualität ist dabei ebenso von Bedeutung wie der kulturelle bzw. auch der lokale Kontext der, wie die Künstlerin nicht müde wird zu betonen, unseren Geschmack und unsere Ideen von Schönheit formt. Die Aneignung (Appropriation) bereits existierender Objekte, Bilder und Formate ist seit dem Beginn ihrer Karriere das fundamentale Verfahren der Künstlerin, ein Verfahren, mit der die Pictures Generation der 1970er Jahre erstmals künstlerische Originalität und eindeutige Autorschaft ad absurdum geführt hatte.

Das Werk in der evn sammlung zeigt 4 Bonbonschachteln der Wiener Konfiserie Altmann & Kühne. Lucy McKenzie eignet sich die Modelle zweier Designerinnen aus dem Umkreis der Wiener Werkstätte an, der Ungarin Kató Lukáts und der Österreicherin Emmy Zweybrück. Liebevoll und mit bemerkenswerter Präzision kopiert sie die Designs der beiden Grafikerinnen. Die romantische Geste der Erinnerung ruft gleichzeitig das Wiederaufleben des Nationalismus, religiöser und volkskundlicher Traditionen in den 1920er und 1930er Jahre in Erinnerung. Ideologien, die durch Alltagsobjekte verbreitet und verstärkt wurden und schließlich in Faschismus und Nationalsozialismus mündeten.

Brigitte Huck, 2019