The Tar Museum - Crocodile
Mark Dion
Gummi, Teer und Transportkiste aus Holz
34 × 82 × 32 cm
2006
Ankauf 2008
Inv. Nr. 0175ab
Seit er denken kann, beschäftigt sich der amerikanische Künstler Mark Dion mit Pflanzen und Tieren. Die obsessive Beziehung zur Natur ist das Fundament einer Arbeit, in deren Zentrum symbolhafte Inszenierungen jener Bilder stehen, die sich Menschen von der Natur machen. Damit eng verknüpft sind Dions Allegorien des Sammelns und Parabeln wissenschaftlicher Einrichtungen wie naturhistorischer Museen, Zoos und Aquarien, ihrer Klassifizierungen und Präsentationsmethoden. Dion untersucht die Repräsentationssysteme von Natur und knüpft thematisch häufig an jener historischen Phase an, in der die subjektive Ordnung der Wunderkammern der rationalen des Museums wich. Als Imitator und Performer nimmt er wechselnde Rollen an und tritt als Insektenforscher, Meeresbiologe oder reisender Professor auf, der notiert, einsammelt, ordnet und seine Fundstücke benennt, die einmal aus der Lagune von Venedig, dann wieder aus der Themse kommen können. Aus Muranoglas oder Zivilisationsschrott, aus den Habseligkeiten eines Jägers oder den Arbeitsbehelfen eines Botanikers baut der Künstler hinreißende Kuriositätenkabinette, die alle Wunder dieser Welt versammeln. Er arrangiert sie auf Stiegen, schlichtet sie in Schränke und Laden ein, türmt sie in Holzhütten zu sentimentalen Haufen, zu Chiffren des kollektiven Wissens.
Natur ist für Mark Dion das Ergebnis komplexer, ineinander verwobener Prozesse, ist kulturelle Konstruktion und Projektionsfläche menschlicher Vorstellungen. Crocodile (2006) ist Bestandteil des Projekts „The Tar Museum“, das Dion 2008 für eine Ausstellung in Wien zusammengestellt hat. Mit Teer bedeckte Tiermodelle, darunter Gänse, Krähen und Flamingos, werden auf ihren Transportkisten ausgestellt. Der zähflüssige Teer stammt aus organischen Verbindungen, jedoch: er ist zerstörerisch, tötet Leben ab. Für Mark Dion steht er im Gegensatz zum Nährstoff- und Energiespender Fett mit all seinen positiven Eigenschaften: Joseph Beuys hat Fett als Werkstoff eingesetzt und mit Arbeiten wie Fettecke und Fettstuhl im Kunstkanon verankert.
Nicht nur in diesem Kontext, sondern auch in der Kulturtechnik des Erzählens spielt Teer eine Rolle. Etwa in dem Märchen der Gebrüder Grimm, in dem Frau Holle die hässliche und faule Pechmarie mit einem Pechregen bestraft, der ein Leben lang an ihr haften bleibt.
„What was thought to be observation of life“, sagt Mark Dion nachdenklich über sein Tar Museum, „was actually the study of death.“
Brigitte Huck, 2011
WeiterlesenAusstellungen
Now, At The Latest. Videos und andere Sehenswürdigkeiten aus der evn sammlung, Kunsthalle Krems, Krems, 2015
evn sammlung / institutionelle Präsentation, Viennafair, Wien, 2011
iRonic: Die feinsinnige Ironie der Kunst, Städtische Sammlungen Erlangen, Erlangen, 2011
Black Whale, Museo de Arte Contemporáneo de Vigo, Vigo, 2007
Publikationen
Now, At the Latest, Maria Enzersdorf 2015, S. 36, 45
Lower Austria Contemporary 2011, St. Pölten 2011, S. 33
iRonic: Die feinsinnige Ironie der Kunst, Bielefeld 2011, S. 73
evn collection. 2006–2011, Köln 2011, S. 154 f