Arbeiten von Tatjana Danneberg sind durch starke Verfremdungen oder Vergrößerungen fotografischer Motive, Verzerrungen oder tatsächliche Risse als Fragmente undeutlich wahrnehmbar. In großformatigen Malereien, deren Basis oft Fotografien aus dem persönlichen Archiv der Künstlerin sind, thematisiert sie flüchtige Momente, schnelle Bewegungen, auch intime Situationen, oft mit Bezug zu Körperformen, aber ohne Eindeutigkeit und stets dynamisch.

Anders verhält es sich mit der Skulptur WOW. Sie wirkt statisch und obwohl auf zarten ‚Beinen‘ stehend, stabil auf den Boden gesetzt. Ihre Form erinnert an ein Symbol, es erscheint vertraut und doch schwierig zu benennen. Tatsächlich ist die abstrakte, dreidimensionale Form die Interpretation einer Stimmung.

WOW entsteht aus der Beschäftigung von Tatjana Danneberg mit dem Werk von Bruno Munari (1907–1998). Der italienische Universalkünstler verfasst mit der Publikation Design as Art (1966) eine Art von lexikalisch zusammengestellter Gebrauchsanweisung für Kunst, Design und Architektur, die bis heute v.a. auf Social Media und im Internet, zum Teil auch kontrovers, diskutiert wird. In einem Kapitel verknüpft Munari Konturen von Gesichtern mit Zeichnungen. Diese psychologisch einfach wahrzunehmenden Formen, die aus wenigen Strichen bestehen, sind die Basis für die Darstellung von Mimik. Und damit auch von Gefühlen und Gemütsdarstellungen oder dem intuitiv wahrnehmbaren Erkennen von Stimmungen. Tatjana Danneberg setzt die simple Grafik als abstrakte Skulptur in die dritte Dimension.

Die Künstlerin, die an der Akademie der bildenden Künste in Wien Textuelle Bildhauerei studiert hat, wendet hier stucco lustro oder stucco veneziano an. Die alte Handwerkstechnik meint eine blank polierte Oberfläche aus Stuck. Gips wird in leichten Schichten immer wieder aufgetragen und poliert. In der Geschichte der Kunst und Architektur wurde so schwerer und teurer Marmor imitiert und vielerorts eingesetzt. Tatjana Danneberg baut für WOW ein besonderes Konglomerat von verschiedensten Materialien auf und erzeugt Glanz und Glätte. Die Arbeit in der evn sammlung spielt mit der Kunstgeschichte der Moderne und katapultiert die Formensprache klassischer, abstrakter Skulpturen à la Henri Moore in die Gegenwart: Aus der Bildsprache des letzten Jahrhunderts hin zu einer frechen und frischen, mimischen Form. WOW!

Heike Maier-Rieper, 2021