Mit ihrer technischen Unmittelbarkeit hat sich die Freihandzeichnung als besonders spontanes Medium einen festen Platz im Rahmen der Kunstgeschichte erobert. Als flüchtige Skizze wird sie traditionell als Vorzeichnung für andere Kunstwerke, ausgearbeitet als autonomes Werk verstanden. Kamen Stoyanov setzt sich in Operantium mit der Zeichnung als konzeptioneller Idee auseinander und bettet sie in eine Performance. 2016 in Zürich stellt sich der Künstler den Fragen seines Publikums. Seine Antworten zeichnet er innerhalb einer Minute, pro Frage eine Zeichnung. Die vermeintliche Verbindlichkeit des gesprochenen Wortes wird der Kreativität der künstlerischen Zeichnung gegenübergestellt. Zu den hierbei aufgeworfenen Fragen der Kommunikation zwischen Sender und Empfänger gesellen sich auch Fragen zu Bedingungen von Produktion oder der Stellung der Kunstschaffenden in der Gesellschaft: In einer 24-Stunden-Performance, die auf ein knapp einstündiges Video komprimiert wurde, sieht man den Künstler im Sekundentakt arbeiten. Gleich einem Arbeiter im Akkord wird hier ein Bild vermittelt, das den Prozess künstlerischer Tätigkeit mit dem traditionellen Begriff von Erwerbsarbeit verknüpft. Geschwindigkeit als eine Prämisse der Ökonomie einer zukunftsgetriebenen Gesellschaft scheint klischeehaft im Widerspruch mit künstlerischer Tätigkeit zu stehen. Operantium I als gebundenes Buch mit 1100 originalen Zeichnungen und der zeitgeraffte Film ihrer Entstehung funktionieren als Indiz einer Arbeit voll von Originalität, Zufall, Kommunikation und konzeptueller künstlerischer Produktion.

Heike Maier-Rieper, 2021