Samstag
Anne Schneider
2-teilig; Skulptur aus gegossenem Beton, Farbpigmente, Stahlgerüst; Paravant, zusammengenähte Jutesäcke, beschichtet mit Gesso und Acryl, flexibel faltbar
Skulptur: 186 × 40 × 60 cm; Paravant: ca. 225 × 220 cm
2016
Ankauf 2018
Inv. Nr. 0369
Noch mehr als eine Arbeit mit dem Körper ist Bildhauerei eine Arbeit über ihn. Unser Körper setzt den Maßstab im Verhältnis zur Skulptur. Größe, Materialität und Oberflächenbeschaffenheit leiten wir von unseren eigenen körperlichen Erfahrungen ab. Skulpturen stehen, weil wir wanken.
Anne Schneider interessiert sich mit ihren Arbeiten für den Übergang vom menschlichen Körper – genauer: dem laster- und fehlerhaften Körper –, zu seiner gebauten Hülle und Umgebung. Sie bezieht sich auf die vom römischen Architekten und Gelehrten Vitruv postulierten drei zentralen Prinzipien der Architektur: Firmitas, also Stabilität; Utilitas, die Nützlichkeit; und Venustas, die Schönheit. Wo Vitruv Architektur als ein ausgewogenes und genau festgeschriebenes Verhältnis dieser drei Prinzipien versteht, verschiebt Anne Schneider diese Parameter zugunsten der Skulptur. Der Aspekt der Nützlichkeit verkommt bei ihr in Form einer kleinen Ablagefläche an der Arbeit zum Zitat. Stattdessen erweitert sie Vitruvs Theorem um das Phänomen der Zeitlichkeit. „Freitag“ ist bei Daniel Defoe der Tag, ab dem Robinson Crusoe nicht mehr allein sein muss. Der Titel könnte aber auch auf den Tag anspielen, an dem der Körper zur Säule, zur Skulptur wird. Warnt uns nicht bereits die Bibel mit der Geschichte von Lot (hebräisch: Hülle) und seiner Frau (ihr Name wird unterschlagen), dass der Körper zur Skulptur erstarrt, wenn er dem Blick des Lasters nicht widersteht?
Markus Schinwald, 2022
Ausstellungen
Wallpaper #5, evn sammlung, Maria Enzersdorf, 2022
small medium large. Skulpturen und Objekte aus der evn sammlung, evn sammlung, Maria Enzersdorf, 2022
Publikationen
POETIKEN DES MATERIALS. Benjamin Hirte, Sonia Leimer, Christian Kosmas Mayer, Mathias Pöschl, Anne Schneider, Misha Stroj und Michael Hammerschmid, Köln 2016, S. 39, 43 ff