Würfel
VALIE EXPORT
Keramikobjekt
ca. 13 × 13 × 13 cm
1989
Ankauf 2019
Inv. Nr. 0395
Es ist die Verve des Widerspruchs und der Kritik, die VALIE EXPORT, einer Pionierin feministischer Kunst, den bemerkenswerten jugendlichen Schwung verleiht. Eine kämpferische Haltung und der Glaube an Veränderung kennzeichnen auch ihre Kunst, deren Merkmal die Analyse von Gesellschaft, Politik und Zivilisation ist.
Der Würfel ist ein immer wiederkehrendes Motiv in ihrem Werk. Er begegnet uns als Architektur, etwa in Form eines Pavillons, wie es der Kubus EXPORT – der Transparente Raum (1999) unter der U-Bahnbrücke auf dem Lerchenfelder Gürtel in Wien ist. Er begegnet uns in Fotomontagen, etwa in Frau mit Würfel (1989), einem Bild aus einer Serie von Arbeiten in der Tradition dadaistischer Collagen, für die EXPORT den (weiblichen) Körper mit Elementen aus der Objektwelt, dem Tierreich und der Architektur verschmilzt. Auch im Video Anagrammatische Komposition mit Würfelspiel (2010) treffen wir ihn an. EXPORT erwürfelt nach einer Wolfgang Amadeus Mozart zugeschriebenen Anleitung zum Componieren von Walzern vermittels zweier Würfel … ein Musikstück in dieser ältesten, zufallsbestimmten Kompositionstechnik und setzt die Melodie filmisch als Video und skulptural als Glasparavent um. In einem ambitionierten Bauträgerprojekt wiederum nutzt sie die Form für eine künstlerische Intervention und verstreut Würfel über Holzböden oder versenkt sie in weißem PVC.
Was die Künstlerin interessiert sind, neben der Haptik und Materialität eines Würfels und der Geste des Würfelns im Spiel, die vielfältigen mathematischen Prinzipien des Würfelwurfs, seine Bedeutung für die moderne Informations- und Computertechnologie, Zufall und Risiko. Das Bild kosmischer Würfelformationen im Weltall, akustisch umgeben vom Grollen mächtiger Eisberge, lässt die stets Forschende nicht los.
Die Einladung des EVN Kunstrats, am Tapetenprojekt der evn sammlung mitzuwirken, hat VALIE EXPORT gerne angenommen, gab es ihr doch Anlass, ihr Nachdenken über die Phänomenologie des Würfels fortzusetzen. EXPORT tritt in einen Dialog mit den lokalen Gegebenheiten und präsentiert ihre Tapete als räumlich-akustisches Kontinuum im architektonischen Verband des Stiegenhauses.
Mit digitalen Fotomontagen und einer aus den Tiefen ihres Ateliers geborgenen Würfelskulptur – des Prototyps für Duale Duelle (1989/90) – stellt sie im siebenten Stock der EVN Direktion das Thema vor. In perfekt abgestimmter Bild- und Soundregie führt die Künstlerin dann durch die Stockwerke des Gebäudes. Ihr Wahrnehmungsangebot sind technologisch durchdachte, computergenerierte Tapetenwände, die ein Zufallsmuster aus Würfeln in unterschiedlicher Größe zeigen. Auf allen Geschoßen ist dabei das Geräusch rollender Würfel wie auf einem Spielbrett zu hören, eine Art Las-Vegas-Sound. Von den Betrachterinnen und Betrachtern erfordert die Arbeit das Durchschreiten, die Bewegung, das Erlebnis der Passage. Neben der visuell-akustisch-ästhetischen Komponente hat die Rauminstallation, wie alle Werke von EXPORT, auch politisches Potential: Sind Würfel(-spiele) Antagonisten der vita activa, wenn sie wie hier hineintreffen ins tätige Leben? Oder stehen sie vielmehr für die Handlung selbst, die jedem politischen Gemeinwesen zugrunde liegt und die Bedingungen für Erinnerung und Geschichte schafft?
Brigitte Huck, 2019
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