Ohne Titel (MIRROR) OUT OF THE INDEX (R.S.)
Nicolas Jasmin
Mischtechnik (lasergeschnittene Buchstaben) auf Hessian
33 × 21 cm
2018
Ankauf 2019
Inv. Nr. 0382
Es gab eine Zeit, als der Künstler Nicolas Jasmin unter dem Pseudonym N.I.C.J.O.B. agierte, einem flashigen Logo, wie es unter DJs üblich ist. Die Werke, die zwischen 1996 und 2006 entstanden, hatten auch tatsächlich einiges mit den Cut-Up-Techniken des Samplings zu tun. Es waren Film- und Videoarbeiten, für die Jasmin found footage als Material einsetzte, manipulierte und zu neuen Bildsequenzen mixte.
Das Jahrzehnt bezeichnet Nicolas Jasmin heute als einen „Umweg“, ausgehend von und hin zur Malerei. Bereits 1989, während seines Studiums bei Arnulf Rainer an der Wiener Akademie der Bildenden Künste, verordnet er sich ein Regelwerk. Das Painting Dogma schreibt etwa Sackleinen als Malgrund vor und verbietet formatfüllende Bemalung.
1994 beginnt Nicolas Jasmin für Walter Obholzer zu arbeiten, Österreichs wichtigsten Vertreter konzeptueller Malerei. Beide Künstler eint nicht nur ihr Verständnis von Malerei als Reflexions- und Denksystem, sondern auch ein generelles Interesse an Fragen und Problemstellungen des Mediums. In dieser Zeit unterbricht Jasmin, wohl aus Respekt und Kollegialität, die Verwendung dieser Kunstform im eigenen Werk. Erst 2011, drei Jahre nach dem frühen Tod Obholzers, nimmt er die Malerei wieder auf und zieht 2019 mit der Ausstellung Nicolas Jasmin Und Andere Arbeiten im Belvedere 21 ein sehr persönliches Resümee.
Die vier Bilder der evn sammlung gehören zur umfangreichen Werkgruppe der Track List Paintings (2018). Mit ihnen befolgt Nicolas Jasmin das historische Konzept der Dogma-Bilder: kleine Hochformate, Wechselbäder von Figur und Grund, Fluchtpunkte im oberen Bildteil. Neu hinzu kommen Experimente mit Lasertechnologie, einem Verfahren der Subtraktion, im Gegensatz zum additiven Prinzip des Farbauftrags.
Schwarze Farbe auf Sackleinen, in Versalien eingeätzte Interpreten, Songtitel und Trackdauer von jeweils zwei Nummern: ein Nachklang von kultigen Vinyl-Singles.
Liest man die vertikale Textanordnung horizontal, von links nach rechts, verwandeln sich die Titel in assoziative Kurzgedichte wie Morning Mirror Dew Man oder The Grateful Captain Dead Beefheart.
Die Werke gehören zur Serie OUT OF THE INDEX (R.S.) und beruhen auf der indexierten Plattensammlung des legendären Land-Art Künstlers Robert Smithson. Der Kunstkritiker Valentin Tatransky hatte den Index kurz nach Smithsons Tod angelegt.
Jasmins Zusammenstellung könnte auf der einen Seite eine individuelle Bestenliste, auf der anderen ein spannender Remix von Smithsons Jukebox sein, die von Edgar Varese bis Marlene Dietrich, von Frank Sinatra bis zu The Velvet Underground reicht.
Brigitte Huck, 2021
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