Keys Open Doors
Kris Lemsalu
mehrteilige Installation, 2 Figuren, Vorhang, 2 Stühle, Kleidung, Sumo-Kostüme, Schlüssel
Maße variabel, ca. 165 × 200 × 95 cm
2018
Ankauf 2019
Inv. Nr. 0415
Zum ersten Mal begegneten uns die beiden vielarmigen Sumoringer 2019 im Grafischen Kabinett der Wiener Secession. Sie trugen fleischfarbene bzw. orange Bodysuits mit aufdringlichen Titten, manch eine/r hat an ihrer Stelle Euter, oder was auch immer, ausgemacht. Von den empfindlicheren Körperteilen baumelten Vorhängeschlösser, wie man sie vom Makart, vulgo Marko Feingold Steg – einem Must-See in Salzburg – kennt. Kein Zweifel: Das waren häretische, riskante, ja die aufregendsten, die provokantesten Skulpturen seit langem. Von einer nonkonformistischen, unkonventionellen und lässig unkorrekten jungen Künstlerin, die auf der Wiener Akademie mit wildem Make-Up und heftigen Kostümen für Aufruhr sorgte. Ein Glück, wir konnten die doppelte Hindu-Göttin (sie gilt als Personifikation des Gayatri-Mantras) im Sumo-Look für die evn sammlung erwerben.
Die hinduistische Ikonographie zeigt Gayatri in einer Lotosblüte sitzend, oft mit fünf Köpfen, mit zwei, vier oder zehn Armen und einem Schwan als Begleittier. Lemsalu neigt vom Outfit her eher zu den von Karl Lagerfeld verachteten Jogginghosen, der MA 48 und handbemalten Porzellan- und Keramikköpfen, -händen sowie -schuhen. „Porzellan ist einfach ein wunderbares Material“, sagt sie, „das endlose Möglichkeiten bietet. Es ist einfach mein Material, ich habe schon als Kind Töpferkurse gemacht. Ich brauche das einfach – meinen Geist, meine Seele und meine Hände.“
Die nächste Begegnung fand im estnischen Pavillon der Biennale Venedig 2019 statt. Wenn Lemsalus Totems reisen, werden sie den Erfordernissen angepasst, je nach inhaltlicher und örtlicher Anforderung neu arrangiert.
Die Sumoringer mutierten für die Ausstellung in der Gondelmanufaktur und Bautischlerei Legno & Legno auf der Giudecca Nr. 211 zu Gondolieri. Sie winkten die BesucherInnen mit Schlüsselgeklimper aus dem Boot zu Birth V heran: einer aufrüttelnden Installation Lemsalus, in der Wasser aus enormen Keramik-Vaginen tropfte und frisch geerntetes Seegras aus der Lagune an den Wänden hing.
Kraftvolle Symbole, Rollen, Referenzen und Zitate sind die Zutaten, die Kris Lemsalu zu Legenden formt: das Leben, der Karneval, schamanistische Rituale, die Märchen der Gebrüder Grimm, die Folklore der Länder dieser Welt.
„Es ist die Aufgabe von Künstlern alternative Wege zu erschaffen“ sagt Lemsalu über ihre Ausstellung Love Song Sing-Along in den Kunstwerken Berlin 2019, gemeinsam mit ihrem Ehemann Kyp Malone. „Deshalb findet sich in unserer Welt kaum Gewalt und Düsterkeit. Denn davon gibt es schon zu viel. Es ist ein bisschen hippiemässig – wir schaffen diese bunte Welt, laden Menschen in sie ein und hoffen, dass sie etwas von diesen Schwingungen mitnehmen und sie da draußen verbreiten.“
Brigitte Huck, 2021
WeiterlesenAusstellungen
small medium large. Skulpturen und Objekte aus der evn sammlung, evn sammlung, Maria Enzersdorf, 2022
6 U L. Lust und Begehren in Kunst und Design, GRASSI Museum für angewandte Kunst, Leipzig, 2020
Publikationen
6 U L. Lust und Begehren in Kunst und Design, Leipzig 2020, S. 32–33
Kris Lemsalu, Albummm, Berlin 2018, S. s. p.