We Three Luxury Estates 1
Kris Lemsalu
Porzellan, Keramik, Holz, Stoff, Metall
140 × 90 × 85 cm
2020
Ankauf 2021
Inv. Nr. 0433
Mit We Three Luxury Estates betitelte Kris Lemsalu Malone die drei Skulpturen: sie hockten am Treppenabsatz, der die ebenerdigen Räumlichkeiten der Wiener Galerie Meyer Kainer mit einer darüberliegenden, historischen Bar der Fifties, dem Boltenstern Raum, verbindet. Mit starren Porzellanaugen fixierten sie die herannahenden Besucher, die sich angesichts der schamanistischen Extravaganza fragten, ob das wohl Schicksalsgöttinnen seien, mit dem Late Night Appeal von Midnight Movies der 1970er? Nordische Nornen, am Fuße des Weltenbaums Yggdrasil? Die bösen Weird Sisters, Shakespeares Hexen aus Macbeth? Tschechows Drei Schwestern, verstoßen ins Outback russischer Gouvernementstädte?
Sie tragen bunte Röcke und bestickte Umhängetücher, bunte Hauben und rosa Perücken, sind mit opulenten Decken, Quasten und Henkeltaschen ausgestattet. Sie falten mehrere Paar Hände zu einem Begrüßungsgestus. Wie das Schuhwerk und die vieläugigen Köpfe, sind die Hände aus Keramik geformt und bemalt. Obwohl die Sitzenden von ihrer Tracht her als weiblich verstanden werden könnten, soll ihr Geschlecht – und das ist typisch für die Künstlerin – gendermäßig selbstverständlich offen bleiben.
Wie bei den Regisseuren der Midnight Movies – Cineasten fällt zu Lemsalu der chilenische Tabubrecher Alejandro Jodorowsky und sein legendärer Film The Holy Mountain von 1973 ein, stellt die Künstlerin das Absonderliche als anziehend und das Schräge als normal dar. Sie inszeniert das Bizarre als das schlicht Bessere, das Groteske als höchst attraktiv, und macht klar, dass erotische Diversität anzustreben ist.
We Three Luxury Estates Nr.1, nun im Inventar der evn sammlung, tendiert mit Stetson, einer Sternenlederjacke und unter glitzerndem Paillettenumhang versteckten Styroporstiefeln eher zu David Bowies Outfit für seine Diamond Dogs-Tour, als zu den SENORAS der Ausstellung.
Kris Lemsalu Malone ist eine begeisterte Sammlerin von Textilien. Betrachtet man die Dreiergruppe, denkt man an Museen in aller Welt, vom Victoria & Albert bis zum Institut du Monde Arabe, an die Tiefen der Pariser Flohmärkte, an Mailänder Souvenirverkäufer, New Yorker Thriftshops, an die Souks des Balkan, die Treppenanlagen vor burmesischen Tempeln, und die Ahnenmärkte der Maya. Lemsalus Leidenschaft für Mode ist sagenumwoben, die spektakulären Auftritte als Make Up-Göttin und exzentrisches Kostümwunder legendär, ein fixer Bestandteil der oral und optical history der Stadt Wien, wo sie an der Akademie der bildenden Künste studierte. Auf die Frage, warum sie so exzessiv sammle, antwortete die Schülerin von Monica Bonvicini: „Als ich ohne festes Zuhause war, hier und dort lebte, waren die Kleider mein Zuhause.“ Tatsächlich „bewohnt“ die Künstlerin bisweilen ihre Objekte und Skulpturen, etwa, wenn sie, lange Messetage hindurch, bäuchlings auf einem Wasserbett unter einem 100 Kilo schweren Schildkrötenpanzer aus Porzellan liegt.
Die vielfältige Materialität der Skulpturen, der Körpereinsatz und der Umgang mit dem Tier lassen letztendlich an Meisterinnen von Marina Abramovic bis VALIE EXPORT denken.
Brigitte Huck, 2021
WeiterlesenAusstellungen
Wallpaper #5, evn sammlung, Maria Enzersdorf, 2022
Publikationen
Señora! Curated by Kris Lemsalu and Sarah Lucas, , S. s. p.