Ohne Titel
Rudolf Stingel
Polyurethanguss, violett
34 × 24 × 4 cm
1994
Ankauf 1997
Inv. Nr. 0036
Rudolf Stingel gehört zu jener neuen Generation von Malern, die Malerei als Modell und Symptom begreifen. Er hat 1989 eine Anleitung veröffentlicht, die die Vorgangsweise seiner Bildproduktion dokumentiert: Farbe wird gemixt und als Streichmasse dick auf die Leinwand aufgetragen. Mit einer Spachtel wird ein Tüllschleier in die frische Farbe gedrückt, mit Silberfarbe besprüht und abgezogen. Das strenge Reglement und die Standardisierung des Vorgangs verwerfen die Idee vom Künstler als Schöpfer und Bildner von Seelenlandschaften, sie entmystifizieren darüber hinaus das abstrakte Tafelbild.
Dennoch sind die Bilder von subtilem sinnlichem Reiz. Die glitzernde Silberhaut über der darunterliegenden Farbschicht und die gestisch lesbaren, vom Zufall geleiteten Tüllspuren erzählen unpathetisch und schlicht von Materialität, sind aber gleichzeitig atmosphärische Stimmungsräume. Weiche, monochrome Farbfelder als Meditationsflächen hat Rudolf Stingel auch erzeugt, als er Galerienwände mit Teppichen überzogen hat. Der Teppich, Stellvertreter von Wandmalerei, wird als reine Präsenz von Farbe erfahrbar. Die beiden Polyurethanabgüsse von Teppichböden verweisen auf diesen Einsatz als Readymades im Ausstellungszusammenhang. Sie sind Details aus einer Wirklichkeit, aber ironisch verfremdet, Zitate einer Realität, distanzieren sich aber gleichzeitig durch das Material (Gummi) von ihr. Stingel verwendet neue visuelle Produktionsmittel und Verfahren – zum Beispiel ist Farbe nicht mehr Farbe aus der Tube, sondern Kunststoff – und findet so neue Formen des Bildes.
Brigitte Huck, 2005
WeiterlesenAusstellungen
Nach Rokytník. Die Sammlung der EVN, MUMOK, Wien, 2005
Publikationen
evn sammlung 95–05, Köln 2005, S. 308 ff
evn sammlung. Ankäufe 1995 – 1996, Maria Enzersdorf 1997, S. 35