Der Tapete von Denisa Lehocká, die zu den bedeutendsten slowakischen Künstler*innen ihrer Generation zählt, liegt eine quadratische Zeichnung zu Grunde. Das tonige Papier ist mit sehr vielen sorgsam gesetzten Ziffern aus roter Tusche übersät. Auch wenn Zahlzeichen, die einst aus Indien und über Arabien kommend durch ihre Praktikabilität das europäische Mittelalter revolutionierten, gemeinhin mit Ordnung und System verbunden werden, ist hier nichts davon zu erkennen. Denkt man an die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts und an Künstler*innen wie Roman Opałka oder Hanne Darboven, ist der Umgang mit geschriebenen oder gezeichneten Ziffern konzeptuell besetzt. Denisa Lehocká ist wie auch Darboven und Opałka sehr am Prozess der Tätigkeit des Nummerierens interessiert, doch ihre Arbeitsweise tastet sich mehr an das Ergebnis heran als dass sie sich an Konzepten abarbeitet. Und so sehen wir in dieser Zeichnung und in ihrer Vervielfältigung und Vergrößerung als wandfüllende Tapete das Ergebnis einer sehr feinfühligen, aber doch spontanen Zusammenstellung. Ziffern, die sich gruppieren und organisch zusammenschließen, ohne sich als etwas Bestimmtes zu erkennen zu geben. Rätselhafte Wolkengebilde, die vielleicht auch an ein wissenschaftliches Chart erinnern, an ein Vermessen von Natur. Aus der Nähe betrachtet, werden diese Formierungen zu etwas sehr Persönlichem. Das hat mit der Handschrift der Künstlerin zu tun, die Authentizität vermittelt, aber auch mit der Fähigkeit von Denisa Lehocká, durch ihre Werke eine Balance von Intimität und Fragilität zu schaffen.

evn sammlung, 2022