Wallpaper
Gerwald Rockenschaub
Maße variabel
2023–2023
Inv. Nr. WP_29
Diesmal also Tapete. Nach Neo-Geo-Malerei und Folienbildern, nach Plexiglasplatten, PVC-Objekten, da ein Gerüst, dort eine Wand, eine Bank, eine Kordel und sonstige Barrieren, nach der totalen Freiheit, die die Dramaturgie beim DJing für Club Cultures erlaubt, nach Abstraktion, Geometrie, Computeranimation, strengen Wahrnehmungsübungen, Rastersystemen, nach dem Konstruktiv-Konkreten, den Zeichen und Piktogrammen, unterzog Gerwald Rockenschaub vor kurzem in seiner Ausstellung im Linzer Schlossmuseum die reappropriation (allure/construct), wie der Titel lautete, einer Überprüfung. Die Präsentation war exakt für die Ausstellungsräume entwickelt worden, für dort und nur dort optimal und mustergültig. So, wie alle Auftritte Rockenschaubs Kompositionen sind, meisterhaft und lässig.
Seine Zustimmung, für die 6. Ausgabe der Stiegenhausserie Wallpapers der evn collection einen Entwurf beizutragen, hat uns umso mehr begeistert, hat uns motiviert und uns beim In-Beziehung-Setzen mit einem Werk aus der Sammlung um ein Werk aus der Sammlung einigermaßen herausgefordert.
Was sonst im Raum, findet nun auf der Tapete statt. Statt mit Objekten arbeitet Rockenschaub hier mit dem grafischen Stellenwert von Schriftzeichen. Beim Rapport aus weißen Buchstaben auf schwarzem Grund handelt es sich um: Sprache. Man muss bedenken, dass der Künstler mit verschiedenen Codes arbeitet: mit dem Code Raum, mit dem Code Wahrnehmung, mit dem Code Raster und auch mit dem Code Wiener Schmäh, wie er in einem Interview im Magazin Weltkunst selbst sagt. Dieser Humor blitzt auch auf seiner Tapete auf. Sie erlaubt verschiedene Lesarten. Was zunächst rein wie ein semantisches Ornament wirkt, entuppt sich bald als nicht nur mit visueller, sondern auch mit inhaltlicher Bedeutung aufgeladen: „urea“, ein Kohlensäurediamid gegen Falten, könnte man lesen, oder „rea“, aus dem Lateinischen übersetzt die weibliche Form von „schuldig“. Nimmt man bedruckte und unbedruckte Flächen optisch mit, ergeben sich „lure“ („Lockmittel“) und „real“ („wirklich“). Ist man erst einmal im Schwung, ergibt sich „allure“, wie im Titel der Linzer Ausstellung. Das kann „Tempo“, „Charisma“, „Glamour“, „Charme“, „Reiz“ oder „Verlockung“ heißen. Lauter erfreuliche Substantive. Und Verführung ist ja auch die Spezialität eines Künstlers, der aus Conceptual und Minimal Art den Cocktail Augensex schüttelt.
Brigitte Huck, 2023
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Wallpaper #6, evn sammlung, Maria Enzersdorf, 2023