Die EVN Direktion in Maria Enzersdorf ist ein Gebäude aus den frühen 1960er Jahren und eines der wenigen in Österreich erhaltenen Bürogebäude, das die Originalsprache der Architektur der Nachkriegsmoderne beibehalten hat. Von außen ist die Rasterstruktur der Fenster und die regelmäßige Fassadengliederung gut zu erkennen. Im Inneren des Gebäudes ist die Formensprache ebenfalls reduziert und funktional, wenn auch mit schlichter Eleganz umgesetzt.

Die Tapete, die Paulina Semkowicz (geboren 1980 in Krakau, lebt in Wien) für die evn sammlung 2024 umgesetzt hat, greift ebenfalls eine gitterartige Struktur als Grundmotiv auf. Das Gitter zieht sich über alle sieben Stockwerke des Stiegenhauses. Anders als das sich aus der Funktion ergebende Raster der vorgehängten Glasfassade des Gebäudes, ist das Raster von Paulina Semkowicz ein Zerrbild einer regelmäßigen Struktur. Sie verfälscht und verdreht das an sich regelmäßige Gitter und bringt so Bewegung und Lebendigkeit in diese Ordnungsform. Es ist ein sehr spielerischer Umgang mit Form und Materie, fast eine Karikatur der bestehenden logischen Gliederung. Das Motiv ist sehr klassisch mit Tinte und Farbpigmenten auf Karton entstanden, wurde fotografiert und als Tapete digital umgesetzt. Trotz dieser technischen Notwendigkeit sieht man die hohe malerische Wirkung, denn das Raster ist mit einer unglaublichen Variation an Farbtönen unterlegt. Jedes Stockwerk hat eine eigene Farbwelt und Dynamik. Dass die Künstlerin Bühnenmalerei studiert hat und deshalb besonders gut mit Dimensionen und Raumwirkung umgehen kann, ist offensichtlich. Paulina Semkowicz schafft es durch ihre Malerei Transparenz, Licht und Tiefe zu erzeugen. Und liefert damit auch die perfekte Bühne für Illusion und Imagination.