Ohne Titel (Column)
Sakshi Gupta
Stahldraht, lackiert
354 × 70 × 55 cm
2008
Ankauf 2009
Inv. Nr. 0186
Sakshi Gupta verwertet für ihre Arbeiten Schrott, der häufig aus industriellen Zusammenhängen stammt. In ihren zur Kontemplation einladenden Skulpturen gewinnt das Material neue Bedeutung. Seine Betonung verleiht ihren Werken etwas Ephemeres, Leichtes, Zerbrechliches. Man kann Guptas Werke als einen Kommentar zur Gegenwart verstehen, der vor allem „den Übergang von der Schwerindustrie zum gewichtslosen Informations- und Hochtechnologiezeitalter“ in den Mittelpunkt stellt.1
Eine flüchtige Betrachtung der während eines Wien-Aufenthalts der Künstlerin entstandenen Skulptur weckt Assoziationen zu lang gezogenen Wolkentürmen bzw. Rauch- oder Dampfsäulen. Ein leichtes Gebilde streckt sich in Richtung Decke. In der Malerei des Barock findet man solche Kumulusformen als Übergangsmotive zwischen (irdischer) Architektur und himmlischer Sphäre, als Verweise auf Transzendentes. Aufgrund ihrer Immaterialität scheinen sich Wolken besonders gut dafür zu eignen, Göttliches zu vermitteln. In fast allen Kulturen stößt man auf das Motiv in Wolken gehüllter überirdischer Wesen.
Das Material für die „Säule“ der evn sammlung, das sich Sakshi Gupta aus der Werkstoffsammlung besorgt hat, konterkariert den Eindruck der Schwerelosigkeit. Doch die Künstlerin geht über die Stofflichkeit des Eisendrahtes hinaus. Es handelt sich um Spiralelemente, wie sie in handelsübliche Tischkalender eingesetzt werden. Mit ihrer „Transformation“ in eine Skulptur verknüpft Gupta die technische Ebene des Recyclingprozesses mit der Ebene spiritueller Erneuerung. Im Hinblick auf die abgelaufenen Kalender als Sinnbild der Vergänglichkeit stellt sich das Werk als Versuch dar, die ehemals verplante Zeit wieder fassbar zu machen. Doch in den Drahtwolken manifestieren sich nicht nur Zeit und Flüchtigkeit, sie sind auch sichtbar gewordene Idee der Verbindung von Einst und Jetzt, Himmel und Erde.
Heike Maier-Rieper, 2011
1) Vgl. Rebecca Morrill, „Sakshi Gupta“, in: Indian Highway, Ausstellungskatalog (Ausstellung kur. von Julia Peyton Jones, Julia Gunnar, Hans Ulrich Obrist), Serpentine Gallery, London – Astrup Fearnly Museum of Modern Art, Oslo, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2008, S. 162.
WeiterlesenAusstellungen
small medium large. Skulpturen und Objekte aus der evn sammlung, evn sammlung, Maria Enzersdorf, 2022
Now, At The Latest. Videos und andere Sehenswürdigkeiten aus der evn sammlung, Kunsthalle Krems, Krems, 2015
Publikationen
evn collection. 2006–2011, Köln 2011, S. 158 f
Now, At the Latest, Maria Enzersdorf 2015, S. 35 f, 42