Gartenpavillon Stift Melk. Fresko von Johann Wenzel Bergl, Nr. 1–4
Margherita Spiluttini
Serie von 4 C-Prints
Edition 1/5
je 80 × 100 cm (gerahmt)
2008
Ankauf 2009
Inv. Nr. 0194 abcd
Johann Wenzel Bergl (1718–1789) gehört nicht zu den vertrauten Stars der österreichischen Malerszene, auch wenn seine originellen und vielfältigen Interpretationen exotischer Motive heute eindeutig Bewunderung hervorrufen: Uns begegnen üppige Vegetationen und Früchte, fremdartige – oft seltsam anmutende – Tiere, Conchylien, Naturschätze aller Art. Von 1763 bis 1764 stattet Bergl den barocken Gartenpavillon, einen Ort der sommerlichen Freude und Lustbarkeiten für Mönche und ihre Gäste, im Stiftspark in Melk mit Fresken aus. Der Ostsaal ist gänzlich dem Thema der Neuen Welt gewidmet, dem Eingang gegenüber sieht man die Ankunft der drei Schiffe Niña, Pinta und Santa Maria.1 Die Szene ist in eine Überfülle von Tier- und Pflanzenarten eingebettet. Bergl erreicht eine vollkommene Illusion, sukzessive verschwindet die Grenze zwischen Drinnen und Draußen. Als letztes architektonisches Element verbleibt die sinnestäuschend mit Blumen- und Pflanzenarrangements behangene Brüstung.
All dies und noch viel mehr fängt Margherita Spiluttini auf ihren vier Fotografien ein.2 Die einzigartige Klarheit ihres fotografischen Blicks führt in die Räume und lässt uns Betrachtende staunend zurück. Die Arbeit zeigt die räumlichen Begrenzungen des Saals und geht doch darüber hinaus. Die Abbildung der Fenster und Türen, speziell der fast einen Meter dicken Laibungen, verleiht dem Raum besondere Tiefe; ungeachtet jeglicher Verkürzung treten die einzelnen Baukörper hervor. Es geht jedoch nicht nur um deren Abbildung, sondern um das Hervorbringen einer eigenen fotografischen Wirklichkeit. Um deren Transparenz zu garantieren, mussten die Aufnahmen optisch nachjustiert und orthogonal berichtigt werden. Die Kunst dieser Fotografin ist gerade nicht die Wiedergabe, sondern die Herstellung neuer Ordnungen und innerer Abstimmungen. In der Komposition sich für die Betrachtenden öffnender neuer Räume zeigt sich Margherita Spiluttinis Meisterschaft. Bergls illusionistische Rokoko-Malerei mit ihren perspektivischen Täuschungen und Trompe-l’Œil-Effekten, welche die Architektur zum Rahmen macht, wird hier noch einmal zu einem Bild. Der rationalisierte Blick ermöglicht eine Konfiguration des Sichtbaren für die Betrachter: So verbindet sich barocke Fantasie mit zeitgenössischer Wirklichkeit.
Heike Maier-Rieper, 2011
1) Dieser Saal und die Fresken Bergls inspirierten Christian Philipp Müller 2006 zur Konzeption der Skulptur Die Neue Welt im Melker Stiftspark; siehe dazu Christian Philipp Müller, Die Neue Welt, seit 2006.
2) Die Künstlerin ist seit 1998 mit zwei weiteren Arbeiten in der evn sammlung vertreten.
WeiterlesenPublikationen
evn collection. 2006–2011, Köln 2011, S. 142–147