Wir statten dem Haus der Kultur einen kurzen Besuch ab — es ist geschlossen — um das Monument davor anzusehen. Jede kleine Stadt und fast jedes Dorf, welcher Größe auch immer, hat sein Monument (es ist eher ein Denkmal als eine Gedenkstätte, obwohl es vielleicht als beides fungieren kann), viele von ihnen von ziemlicher Größe. Ich bekomme langsam ein Gefühl für die bulgarische Haltung gegenüber Russland, die Perspektive, die es den Russen bis vor kurzem erlaubt hatte, einen großen Teil des Ruhmes für das Erlangen der Unabhängigkeit Bulgariens im 19. Jahrhundert und die Befreiung von den Nazis 1945 zu übernehmen. Obwohl die slawische Ethnizität, die Orthodoxie und das kyrillische Alphabet — unter anderem — die zwei Länder kulturell verbindet, besteht kein Zweifel, dass die bulgarische Unabhängigkeit auf Grund der globalen, politischen und geografischen Ambitionen Russlands zustande gekommen war — das Osmanische Reich wurde zurückgedrängt, um Zugang zum Mittelmeer zu bekommen — und nicht unbedingt als ein selbstloser Akt brüderlicher Hilfe.

Im zweiten Fall bewirkten die revolutionären Veränderungen eine Verschmelzung von Russland mit seiner kommunistischen Partei und dadurch wurden andere politische Meinungen von Bulgar/innen in den historischen Narrativen nach dem II. Weltkrieg unterbewertet. In Gesprächen mit M. entdecke ich in seiner Einstellung auch einen Unterschied zwischen Russ/innen als Menschen und „Russen“ (USSR) als eine politische Macht. Das hilft vielleicht zu erklären, warum es keine Denkmäler mehr gibt, die der kommunistischen Partei, inklusive Marx, Lenin & Co, gewidmet sind, während doch so viele für russische Führer und Soldaten zu sehen sind, die an der (Re-)Formierung der bulgarischen Nation beteiligt waren. Es gibt wahrscheinlich mehr russophile Monumente hier als in all den anderen Ex-Warschauer-Pakt-Ländern zusammen.