Manche Schätzungen, wie im jüngsten UNICEF-Bericht von 2007, weisen über 9% auf. Auf jeden Fall scheint es mindestens eine halbe Million Roma in Bulgarien zu geben. Ein Grund, warum sie als Gruppe so sichtbar sind, ist, dass es in fast jeder Stadt, egal welcher Größe, einen oder mehrere abgetrennte Roma-Bezirke gibt. Einige sind durch Mauern getrennt, wie in Kazanlak, „Mauern der Schande“, wie B. sagt.

Als Ethnie waren und sind die Roma diejenigen, die in der Gesellschaft ökonomisch am ehesten gefährdet sind, mit dem niedrigsten Bildungsniveau, der schlechtesten Gesundheitsfürsorge und den geringsten Sozialleistungen. Sie wohnen, verglichen mit der Bevölkerung im Rest des Landes, in überfüllten Häusern mit weniger als der Hälfte des durchschnittlichen Platzes pro Person. Ungeachtet der Tatsache, dass das Gesundheitsministerium die Zahl der Gesundheitszentren in Roma-Bezirken zu erhöhen plant sowie mobile Gesundheitseinrichtungen einführen möchte, haben Roma noch immer die niedrigste Lebenserwartung von allen Gruppen. Statistiken zeigen, dass über 65% von ihnen unter 30 Jahre alt sind und nur 5% über 60. Das ist eine demografische Kurve wie in vorindustriellen Gesellschaften. Aber die Roma haben die Religionen (muslimische, christliche) von den Gemeinschaften, an deren Peripherie sie sich wiederfinden, angenommen. Das und andere Faktoren bedeuten, dass die Interessen der Roma oft teilweise an die der größeren Gruppen gebunden sind. Muslimische Roma, zum Beispiel, sind eine Minderheit innerhalb einer Minderheit - eine Matrioschka-Puppen-Situation. Das und die kulturelle Tendenz der Roma, sich zuerst mit ihrer unmittelbaren Gruppe zu identifizieren, bedeutete, dass es in der Vergangenheit für Roma-Organisationen schwer war, eine gemeinsame Basis zu finden oder Strategien zum Erlangen einer politischen Stimme…

Abgesehen davon, aber in Zusammenhang damit findet weit verbreitete Diskriminierung statt. Es ist kein neues Phänomen. Nach Crowe hatte der Kampf für die nationale Unabhängigkeit im 19. Jahrhundert auch die Institutionalisierung von Vorurteilen gegen Roma zur Folge. Mit dem Ende der osmanischen Herrschaft galt dies besonders für muslimische Roma, die heute ungefähr 40% der bulgarischen Roma ausmachen. Die negative Regierungspolitik war aber keineswegs konsequent.

Nach den Balkankriegen (1912-13) zum Beispiel gab es eine Welle der Zwangschristianisierung muslimischer Roma, obwohl nach dem Ende des I. Weltkrieges, als die BANU-(Bauern-)Partei die Regierung stellte, den Forderungen der Roma nach Wiederherstellung ihrer Rechte stattgegeben worden war.

Nach dem Putsch 1923 wurden die politischen Aktivitäten der Roma eingeschränkt und nach dem Putsch 1934 die Roma-Organisationen für illegal erklärt. Auf der ökonomischen Ebene wurde Bulgarien zunehmend von Deutschland abhängig und die Roma waren einer konsequenten negativen Medienkampagne ausgesetzt. Gemeinsam mit der jüdischen Bevölkerung litten sie unter dem Gesetz zum Schutz der Nation: Einschränkung ihrer Mobilität (es war ihnen z.B. untersagt öffentliche Verkehrsmittel zu benützen), Einschränkung ihrer Wohnmöglichkeiten sowie ihre Einweisung in Arbeitslager. Während des II. Weltkrieges entgingen jene, die im Territorium des Vorkriegsbulgarien lebten, im Allgemeinen der Deportation in Nazi-Vernichtungslager. Die aber, die in den Gebieten lebten, die man zwar nominell an Bulgarien abgegeben hatte, die aber von den deutschen Truppen kontrolliert wurden, blieben nicht verschont.

Nach dem II. Weltkrieg war die Einstellung der kommunistischen Partei Roma gegenüber ähnlich wie gegenüber Pomak/innen, nämlich, in einem anfänglichen Versuch die Gruppen für den Aufbau des wissenschaftlichen Sozialismus zu gewinnen, im Großen und Ganzen unterstützend. Die Politik, die sich in allen zukünftigen Warschauer-Pakt-Ländern wiederholen sollte, wird in dem Roman Zoli beschrieben: „Volle Integration für die Konstruktion des Sozialismus und ihre (Roma und Pomak/innen) Transformation von Bettler/innen und Räuber/innen zu gewissenhaften und guten Erbauer/innen des Sozialismus“ (SCCBCP). Diese Politik hatte unter anderem zur Folge, dass es eine Zeitung in Romanes gab und dass die Hochkultur begann Roma-Kultur und -Musik zu integrieren. Der Wandel in der Interpretation der sozialistischen Doktrin mit der Annahme, dass Religion und Ethnizität nach der Assimilation der Roma aussterben würden, bis hin zur Formulierung einer Politik, die jene Identität unterdrücken sollte, die auf diesen Faktoren aufbaut, begann ernsthaft in den frühen 1950er-Jahren. (Vielleicht hätte das der Kern für Widerstand gegen die kommunistische Partei und ihre hegemoniale Politik sein können.)