Vom Wall Drawing zum Logbuch. Die Auftragswerke der evn sammlung
Als Corporate Collection nimmt die evn sammlung eine Vermittlerrolle zwischen Unternehmen und zeitgenössischer Kunst ein. Die Auswahl der Werke der seit 1995 bestehenden Sammlung ist keinen inhaltlichen Einschränkungen unterworfen, sie bietet vielmehr Möglichkeiten, Themen von gesellschaftlicher und künstlerischer Relevanz mit Fragestellungen, die das Unternehmen betreffen, zu verknüpfen. Durch Kunst, die als Ideenaustausch und Anregung wahrgenommen wird, soll Kommunikation ermöglicht und in Gang gesetzt werden. Dazu gibt es mehrere Optionen. Neben dem Erwerb von Kunstwerken, die außerhalb des Kontexts des Unternehmens entstehen und die - bildlich wie tatsächlich - in die Unternehmensumgebung geholt werden, nimmt Kunstengagement auch einen anderen Verlauf. Künstlerische Konzepte oder einzelne Werke entstehen im Unternehmenszusammenhang. Sie werden in Auftrag gegeben, für die Befragung des Unternehmens entwickelt und erst dann der Öffentlichkeit vorgestellt. Diese Beauftragung von Künstlerinnen und Künstlern mit der Herstellung von Arbeiten relativiert die Innensicht und lässt eine neuartige Auseinandersetzung mit inneren Strukturen zu.
Wie die Geschichte zeigt, kann die Beschäftigung mit dem Unternehmen durch beauftragte Künstlerinnen und Künstler unterschiedlich ausfallen. Die evn sammlung besitzt vier wichtige Werke, die in diesem Zusammenhang zu sehen sind.
Ein direkter Bezug zu der ihn umgebenden historischen und zeitgenössischen Architektur ist bei Sol LeWitts Wall Drawing (1998) im Kundenzentrum der EVN AG in Wiener Neustadt gegeben. Franz Pomassls Soundinstallation Volume (2002) im Kraftwerk Theiß bei Krems zielt auf den Wahrnehmungsapparat der Besucher/innen – unmittelbar an der Produktionsstätte von elektrischer Energie werden Hoch- und Niedrigfrequenzbereiche durchwandert. Die soziale Infrastruktur des Betriebes spiegelt der Fotoband Ein Energieunternehmen. 1997 dokumentierte dafür Hans-Peter Feldmann mit Schwarz-Weiß-Fotografien das Versorgungsgebiet der EVN AG in Niederösterreich. Nüchtern und klar werden räumliche Situationen und Arbeitsabläufe, aber auch private Eindrücke wiedergegeben. |
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Das Unternehmen wird mit dem Blick des Künstlers erfasst und einer Gesellschaft, die den gesamten Stakeholdern der EVN entspricht, zur Verfügung gestellt. Zehn Jahre nach ihrer Erstellung erscheint die Publikation als historisches Porträt des Unternehmens. In diesem vergangenen Jahrzehnt hat sich die EVN verändert - der Schritt zu einem international operierenden Energiedienstleister zeigt sich deutlich in der Beteiligung an zwei Stromversorgungsunternehmen in Südostbulgarien. Aus Sicht des Unternehmens kann man deshalb die Intention und die funktionelle Zuordnung von Ein Energieunternehmen von Hans Peter Feldmann als "role model" für die vorliegende DVD bezeichnen.
Ausgangspunkt für das Projekt mit Lisl Ponger (geb. 1947 in Nürnberg, lebt in Wien) und Tim Sharp (geb. 1947 in Perth/Schottland, lebt in Wien) war der Wunsch, die Veränderung der Umwelten eines Unternehmens aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Ponger und Sharp, die nur projektbezogen und phasenweise als Paar zusammenarbeiten, beobachten kritisch. Auf ihrer Suche finden sie Vergessenes und entdecken Verstecktes.
Logbuch 2006/2007: Eine bulgarische Reise von Lisl Ponger und Tim Sharp zeigt schon im Titel zwei wesentliche und auf den Inhalt verweisende Komponenten. Zum einen werden berühmte Reisebücher wie Goethes kontemplative Italienische Reise (1786–1788) in Erinnerung gerufen - die Essaysammlung bedeutete für den berühmten Dichter vor allem eine Auseinandersetzung mit sich selbst. Aber auch Michel de Montaignes Beschreibungen der Sitten und Gebräuche im Tagebuch der Reise nach Italien über die Schweiz und Deutschland von 1580 bis 1581 klingt an. Diese literarischen Anspielungen werden vom Begriff „Logbuch“ konterkariert. Logbücher werden u. a. bei medizinischen Operationen, dem Funkverkehr, bei größeren Betriebsanlagen wie z.B. Kraftwerken oder in Schiff-, Luft-, und Raumfahrt verwendet. Sie beschreiben chronologisch genau Tages- und Arbeitsabläufe und haben dokumentarischen Charakter.
Die Art der Auseinandersetzung, die Lisl Ponger und Tim Sharp im bulgarischen „EVN-Land“ in Logbuch 2006/2007: Eine bulgarische Reise erarbeiten, verbindet beides: Literarisch-Anschauliches mit den Fakten einer empirischen Aufzeichnung. |