Biogas Installation
Atelier van Lieshout
Verschiedene Materialien, Gips und Schaumstoff
121 × 122.4 × 63.2 cm
2007
Ankauf 2008
Inv. Nr. 0172
Das 1995 von Joep van Lieshout1 gegründete Atelier van Lieshout (AVL) beschäftigt sich mit der Verbindung von Kunst, Design und Architektur und deren Schnittstellen mit Technik und Umwelt. In logischer Ausdehnung der Ideen von AVL auf ein umfassendes Gesellschaftskonzept wurde 2001 im Hafen von Rotterdam der unabhängige Stadtstaat „AVL-Ville“ gegründet. Nach nur einem Jahr wurde die Anlage behördlich geräumt, doch viele der dort verwirklichten Ideen zu den Themen Wohnen, Städtebau, Ressourcengewinnung und -verwertung sind in nachfolgende Projekte des Kollektivs eingeflossen.
Auch das 2007 entstandene Modell Biogas Installation kann in diesem Zusammenhang gesehen werden, ist doch die Auseinandersetzung mit dieser Technologie ein Thema, das AVL über viele Jahre begleitet. So beispielsweise 2003 bei der Biennale in Venedig, wo im Rahmen des aus mehreren Maschinen, Skulpturen und Architekturelementen bestehenden Werkkomplexes Der Technokrat Verdauung, Entsorgung und Recycling vorgeführt wurden. Alle Prozesse sind hier Teil eines Kreislaufs, in dem Biogas als Energierohstoff produziert und verarbeitet wird. Auch das Projekt Slave City (seit 2005) beschäftigt sich mit Recycling. Der Ansatz umfasst sämtliche Prozesse des Lebens: Slave City steht provokativ als Nullenergie-Musterstadt für moderne Managementwerte wie Rationalität, Wirtschaftlichkeit und Profitabilität. Die niedrige Energiebilanz wird vor allem durch das immense Engagement der 200.000 Bewohnerinnen und Bewohner erreicht (7 Stunden Büroarbeit, 7 Stunden Feldarbeit, 3 Stunden Regenerationszeit, 7 Stunden Schlaf), das bis zur Verwertung der Organe geht. Dieses von AVL selbst als „unheimliche Dystopie“2 bezeichnete Lebenskonzept führt durch seine konsequente Umsetzung drastisch die Probleme von nur auf Effizienz ausgerichteten Gesellschaftssystemen vor Augen.
Modelle wie die Biogas Installation zeigen die für das Leben in Slave City notwendigen Einheiten und Gebäude. Alle Elemente der Skulptur entsprechen einem funktionalen Betrieb. Die Ausführung mit der glatten, weißen Gipsoberfläche verweist auf die Welt der Kunst, die zarten Beschriftungen der technischen Teile wirken wie Mittler zwischen Handwerk, Technik und Design. Die Behauptung Joep van Lieshouts, ein Haus sei kein Zweck, sondern ein Ausdruck,3 findet in dieser Anlage eine besonders gelungene Umsetzung.
Heike Maier-Rieper, 2011
1) Mit Kitchen Unit von 1990 befindet sich seit 2001 ein Objekt Joep van Lieshouts in der evn sammlung.
2) Kurzdarstellung von „Slave City“ auf http://www.ateliervanlieshout.com/.
3) Heinz-Norbert Jocks, „Häuser sind wie Hüllen, die man um sich herum baut. Ein Gespräch mit Joep van Lieshout“, in: Kunstforum international, Bd. 184, 2007, S. 156.
WeiterlesenAusstellungen
Wallpaper #5, evn sammlung, Maria Enzersdorf, 2022
Publikationen
evn collection. 2006–2011, Köln 2011, S. 164–167